
Zupackender Hirte
Da stand ein ergriff ener Mann auf der Benediktionsloggia, in weiß, mit der roten Mozzetta bekleidet. Aus Robert Francis Prevost war Papst Leo XIV. geworden, ein weiterer Ordensmann auf dem Stuhl Petri, diesmal ein Augustiner.
Der erste US-Amerikaner und der zweite Kontinental-Amerikaner, ein Mann, der die Kurie kennt, Präfekt des Dikasteriums für die Bischöfe und Kardinalbischof von Albano. Und mit 69 Jahren ein junger Papst – wenigstens im Vergleich zu seinen beiden Vorgängern, die mit 78 und 76 Jahren gewählt wurden. Leo XIV. hat also die Chance, die Kirche über ein bis zwei Jahrzehnte zu prägen. Was wird er mit dieser Zeit anfangen?
Es ist müßig, vorherzusagen, was ein Papst in seinem Pontifikat angehen wird. Die Kulturkatholiken jubeln schon, weil er die rote Mozzetta wieder trägt und in den vatikanischen Palast zurückkehren wird. Und manche katholische Funktionäre in Deutschland spekulieren schon, in ihm einen Verbündeten für den synodalen Prozess in Deutschland in Rom zu haben.
Ins Herz eines Papstes schaut freilich nur Gott.
Ein Sohn des hl. Augustinus
Robert Francis Prevost wurde am 14. September 1955 in Chicago (USA) geboren. Robert wuchs in einer katholischen Familie auf, deren Vorfahren aus vielen Teilen der katholischen Welt stammten: Frankreich, Italien und die Karibik.
Sein Vater war Lehrer, auch einer seiner beiden Brüder trat in den Schuldienst ein. Nach dem Besuch katholischer Schulen studierte er Mathematik und Informatik in Pennsylvania an einer Hochschule in Trägerschaft des Augustinerordens.
1977 trat er in diesen Orden ein. Seine theologischen Studien absolvierte er in Rom und Chicago. Am 19. Juni 1982 wurde er zum Priester geweiht. Wie Franziskus auch als Papst Jesuit blieb, so ist zu erwarten: Leo XIV. wird Augustiner bleiben.
Für euch bin ich Bischof, mit euch bin ich Christ.
Ein Orden, der schon dem Namen nach durch den hl. Augustinus von Hippo geprägt ist, einen der großen lateinischen Kirchenlehrer. Auf augustinische Theologie verwies der Papst schon auf der Benediktionsloggia: „Für euch bin ich Bischof, mit euch bin ich Christ.“ – Ein Wort des Augustinus, die das komplexe Verhältnis von Hirte und Herde darstellt.
Auch ein Satz aus der Predigt zur Amtseinführung lässt aufhorchen: „Ich wurde ohne jegliches Verdienst ausgewählt und komme mit Furcht und Zittern zu euch als ein Bruder, der sich zum Diener eures Glaubens und eurer Freude machen möchte.“
Natürlich wurde Kardinal Prevost von seinen Mitbrüdern auch wegen dem gewählt, was ihm schon gelungen war. Doch in der Theologie des Augustinus kommt dem Menschen die Gnade unverdient zu.
1987 wurde Prevost mit einer kirchenrechtlichen Dissertation von der Päpstlichen Universität Heiliger Thomas von Aquin in Rom zum Dr. iur. can. promoviert. Das Thema lautete: Die Rolle des örtlichen Priors im Orden des heiligen Augustinus.
Der Papst hat also schon früh angefangen, sich auch wissenschaftlich mit kirchlicher Leitung zu beschäftigen.
Zuhause in zwei Welten
1985 ging Prevost nach Peru, wo er im nordperuanischen Trujillo wirkte, unweit seines späteren Bistums. Dort leitete er das Ordensausbildungszentrum, war Novizenmeister und übernahm später als Provinzialdelegat die Verantwortung für die peruanische Ordensprovinz.
Leo XIV. kennt also beide Seiten Amerikas: die nördliche, von der Großmacht USA geprägt, und die lateinamerikanische, die zum globalen Süden gehört.
Einen weiteren Schritt zur Weltkirche machte er 2001, als er zum Generalprior des weltweiten Augustinerordens gewählt wurde – ein Amt, das er zwölf Jahre lang innehatte. Viele Augustiner beschreiben ihren ehemaligen Generaloberen als Mitbruder, der anderen auf Augenhöhe begegnet, der viel zuhört und den Kontakt zu anderen sucht, jemand, der ein gutes Gespür auf Situationen und die Bedürfnisse von anderen hat.
2014 kehrte er nach Peru zurück. Am 3. November 2014 ernannte ihn Papst Franziskus zum Apostolischen Administrator der Diözese Chiclayo. Am 7. November desselben Jahres wurde er zum Bischof für dieses Bistum ernannt. 2015 erhielt er die peruanische Staatsbürgerschaft.
Mit den Fingern isst man doch viel besser
Nah bei den Menschen
In Chiclayo, das er noch auf der Benediktionsloggia grüßte, ist er als zupackender Bischof in Erinnerung geblieben. Bekannt sind die Bilder, als er bei einer Flut in Gummistiefeln durch die Wasser watete und selbst Essen an die Bedürftigen verteilte.
Auch als unprätenziösen Bischof hat man ihn dort kennengelernt. Als er während der Coronapandemie eine kleine Kapelle einweihte, fehlte beim anschließenden Essen das Besteck.
Dann aß er mit der Hand. „Mit den Fingern isst man doch viel besser“, so sein Kommentar, der von einer Teilnehmerin überliefert ist.
Am 30. Januar 2023 berief ihn Papst Franziskus zum Präfekten des Dikasteriums für die Bischöfe. Im gleichen Jahr wurde er zum Kardinal kreiert.
In dieser Funktion war er für die Ernennung der Bischöfe in der Weltkirche zuständig – eine entscheidende Schnittstelle für die kirchliche Personalpolitik.
Für Würde, Gerechtigkeit und Arbeit
Nun ist dieser Robert Francis Prevost Papst Leo XIV. Der Papst hat selbst für seinen Namen eine Interpretationshilfe gegeben, indem er sich auf die Sozialenzyklika Rerum novarum von Papst Leo XIII. (1878–1903) bezog:
Mit dieser Enzyklika erschloss Leo XIII. die Arbeiterfrage für die kirchliche Lehre und reagierte damit auf die industrielle Revolution, die im 19. Jahrhundert besonders Europa und Nordamerika umpflügte.
Laut Leo XIV. steht die Welt mit dem Aufkommen der KI vor einer erneuten wirtschaftlich-gesellschaftlichen Revolution. Und er sieht „die Verteidigung der Menschenwürde, der Gerechtigkeit und der Arbeit“ als Aufgabe der Kirche.