Wie sich das Meer durch den Menschen verändert
Vorschau Brennende Ölplattform
Fokus
Donnerstag, 8. August 2024

Verseucht, versauert, leergefischt

Von Zeit zu Zeit tauchen sie in den Nachrichten auf: Bilder von endlosen Küstenlinien, die von schwarzer Schlacke verseucht werden, von Fischen, die in der dunklen Brühe ersticken, und von Vögeln, deren Federn von Öl triefen und sie nicht mehr fliegen lassen.

Anthropozän

Als Anthropozän bezeichnet man das aktuelle Erdzeitalter, in dem menschliches Handeln die Erde tiefgreifend verändert. Diese Einflüsse, wie industrielle Produktion, Ressourcenverbrauch, Urbanisierung und Umweltverschmutzung, verändern natürliche Prozesse und das Klima. Der Begriff stammt aus dem Griechischen und bedeutet „Zeitalter des Menschen“.

Vergiftet durch Öl

Eine der größten Katastrophen dieser Art ereignete sich 2010 im Golf von Mexiko. Große Mengen Methan traten aus dem Bohrloch aus, durch das die Bohrplattform „Deepwater Horizon“ Öl aus der Erde pumpte. Das Methan explodierte, die Plattform brannte aus, und durch das geborstene Bohrloch strömten ungehindert ca. 800 Millionen Liter Rohöl ins Meer. Es dauerte 87 Tage, bis das Loch geschlossen werden konnte.

Der dadurch entstandene Ölteppich breitete sich bis zu den Küsten der US-Bundesstaaten Louisiana, Mississippi, Alabama und Florida aus. Um den Ölteppich zu bekämpfen, wurde das Öl abgebrannt. Dadurch kam es zu einer erheblichen Luftverschmutzung. Nicht brennbare Anteile des Öls gelangten in die Nahrungskette. Doch der größte Teil des Öls war nicht sichtbar. Durch den Einsatz von Chemikalien wurden ca. 80 Prozent unter die Wasseroberfläche gedrückt. Welchen Einfluss die eingesetzten Chemikalien haben, ist bis heute umstritten. Seit der Katastrophe hat der verantwortliche Ölkonzern BP 19 Milliarden zur Schadensbegleichung gezahlt.

Nun sind es nicht nur die Unfälle, bei denen der Mensch seine Fähigkeit zur Kontrolle der Technik überschätzt, die zu großen Naturkatastrophen führen. Fast das gesamte Verhalten der Menschheit kann als Unfall für die Natur betrachtet werden.

Tödliches warmes Wasser

Viele Tiere könnten aber nicht nur verhungern, sondern auch ersticken. Denn die Temperatur im Wasser wirkt sich auf den Sauerstoffgehalt aus: Kühleres Wasser kann mehr Sauerstoff aufnehmen. Erwärmen sich die Meere, steht den Fischen dort also weniger Sauerstoff zur Verfügung. Die Wassertemperaturen in der Nordsee sind etwa in den vergangenen vierzig Jahren um 1,13 Grad Celsius angestiegen. Der prognostizierte Temperaturanstieg in der Nordsee könnte in den kommenden Jahrzehnten bei 1,6 bis 3 Grad Celsius liegen, in Küstennähe sogar bei 3 bis 3,9 Grad Celsius.

So verändern sich die weltweiten Populationen. Jede Art ist für ihr Überleben auf ein bestimmtes Temperaturfenster angewiesen. Laut einem Forschungsbericht aus dem Jahr 2016 sind Plankton, Quallen, Schildkröten und Seevögel schon zehn Breitengrade in Richtung der kühleren Pole gewandert. In tropischen Regionen ist laut den Autoren der Studie ein Rückgang der Fischbestände zu erwarten.

In einer Prognose, die ein Forscherteam in der Fachzeitschrift Global Change Biology vorstellte, könnten bei hohen Treibhausgasemissionen die tropischen Meere für 88 Prozent der dort lebenden Tierarten bis 2100 unbewohnbar werden. Bei niedrigen Emissionen sind es acht Prozent, bei mittleren 24 Prozent.

Vorschau Fische Netz
60 Prozent der Fischarten droht schon heute die Überfischung. Foto: Riddhiman Bhowmik

Der Mensch hat sich im eigenen Netz verfangen

Und wie häufig scheinen Lösungen nicht möglich. Dabei scheint es in diesem Fall einfach: Die großen Player, die EU, die USA und einige asiatische Staaten wie China, Japan und Südkorea streichen Subventionen für die Fischerei. Komplett. Damit würden viele Unternehmen vom Markt verschwinden, die Menge des gefangenen Fisches würde sinken. Das zudem eingesparte Geld könnte in den Schutz der Bestände vor illegaler Fischerei investiert werden.

Doch dafür gibt es keinen Konsens. Zum einen, weil damit der Fischpreis steigen würde: wegen der geringeren Menge, die verfügbar wäre; und weil diese Menge teurer gefangen werden muss. In Staaten wie Japan, in denen Fisch ein Grundnahrungsmittel ist, würde sich das beträchtlich auf die Lebensmittelpreise auswirken. Zudem belauern sich die Staaten gegenseitig. Denn wenn nur einer die Subventionen zurückfährt, dann stoßen die Flotten der anderen Staaten in die freigewordenen Räume vor. Die Nationen trauen sich nicht – auch aufgrund der illegalen Fischerei, die von einigen Staaten geduldet wird. So bleibt alles beim Alten. Der Mensch hat sich selbst eine bessere Falle gestellt als jedem Fisch.