
Als die Gläubigen auf die Straße gingen
Das deutsche Wort „Kirche“ ist ein Lehnwort des griechischen „kyriake“ und bedeutet „dem Kyrios (dem Herrn) Gehörende“. Kirche bezeichnet somit die dem Herrn gehörende Gemeinschaft. Historisch betrachtet ist diese Gemeinschaft in einem Trennungsprozess aus der jüdischen Glaubensgemeinschaft hervorgegangen. Der griechische Begriff „ekklesia“ ist der Ausdruck, den das Neue Testament für die Kirche nutzt. Wörtlich übersetzt bedeutet ekklesia: „das Herausgerufensein“.
Studiert man das Neue Testament, sind Absichten Jesu, eine eigene Glaubensgemeinschaft zu gründen, nicht erkennbar. Dies kann man auch nicht in der Berufung von Jüngern und Jüngerinnen zur Nachfolge sehen.
Kirche wurde durch den Geist
Die ältesten Zeugnisse für eine Kirchengründung finden sich beim Apostel Paulus. Sie führen die Existenz der Kirche auf das Wirken des Heiligen Geistes zurück, so in 1 Kor 12. Auch im zweiten Kapitel der Apostelgeschichte und im Lukasevangelium wird deutlich, dass Kirche sichtbar wurde, als die Jünger begriffen, dass der gekreuzigte Christus als zu Gott Erhöhter lebt. Sie wussten sich in seine Sendung eingebunden und begannen, das Evangelium zu verkünden.
Will man die Anfänge der Kirche im liturgischen Kalender darstellen, dann markiert das Pfingstereignis den Beginn der nachösterlichen Gemeinde. Viele von denjenigen, die auf Jesus vertraut hatten, ihm glaubten und folgten, sind nach seinem Tod am Kreuz zusammengeblieben. Trotz mancher Ängste und Bedrängnisse, die sie sicher durchleben mussten, haben sie ihren Glauben nicht für sich behalten, sondern begannen, von ihm öffentlich Zeugnis zu geben.
Der Heilige Geist wirkt in Menschen und Gemeinschaften, die von ihm erfüllt sind
Als die Gläubigen auf die Straße gingen
Wie die Apostelgeschichte schildert, haben sich die Gläubigen in einem Haus versammelt. Die Bibelwissenschaft geht heute davon aus, dass es sich bei den Versammelten nicht nur um die Apostel handelte, sondern dass eine Gruppe von etwa 120 Männern und Frauen beisammen war. Was dabei geschieht, ist so ungewöhnlich, dass es nur bildhaft zu beschreiben ist.
Gott wirkt in der Gemeinde, und um das zu verdeutlichen, nutzt der Autor der Apostelgeschichte eine sehr anschauliche Umschreibung. In diesem beeindruckenden Bild wird der Geist Gottes sichtbar und hörbar. Brausen und Feuerzungen stellen ihn dar. Auch die Folgen des Geistwirkens sind bemerkenswert: Die vom Geist Erfüllten sind plötzlich fähig, „in fremden Sprachen zu reden“ (Apg 2,4), sodass jeder der aus aller Welt stammenden Zuhörer sie „in seiner Muttersprache hören“ kann (Apg 2,8).
Seit dieser Zeit dient Pfingsten dem Gedenken an die Anfänge der Kirche. Das ist für gläubige Menschen weit mehr als nur eine gute Gelegenheit, an ein längst zurückliegendes Ereignis zu denken. Pfingsten ist ein Fest und Gedenktag im umfassenden Sinne, ein Tag, der an das Wirken des Geistes Gottes erinnert und auf ihn hinweist. Nicht im Sinne von „Es war einmal“, sondern in dem Sinn von „Pass auf, Mensch – denk mal nach“: Da gibt es jemanden, den du beachten solltest.
Papst Franziskus (†) hat es in seiner Predigt am Pfingstsonntag 2015 so ausgedrückt:
„Das Wort Gottes sagt uns – besonders heute –, dass der Heilige Geist in den Menschen und in den Gemeinschaften wirkt, die von ihm erfüllt sind; er macht sie fähig, Gott zu empfangen. Diese vom Geist geschenkte Fähigkeit führt in die Wahrheit und erneuert das Antlitz der Erde.“