Weh mir, wenn ich das nicht weitersage
Papst Franziskus hat das Wort Gottes einmal als „Geschenk“ bezeichnet, „das sich an alle Menschen richtet“. Deshalb müsse „die Verkündigung des Wortes zum vordringlichen Anliegen der kirchlichen Gemeinschaft werden“. Diesem kirchlichen Anspruch steht oftmals eine Gesellschaft gegenüber, die nur mäßiges Interesse an diesem Geschenk hat.
Verkündigung in schwierigem Umfeld
Über Jahrhunderte hinweg hat der christliche Glaube das Leben geprägt. Das kirchliche Weltbild hat Gesetze beeinflusst, gesellschaftliche Normen geprägt, den Alltag bestimmt. Beginnend mit der Aufklärung in Europa wurde das immer mehr in Fragegestellt. Heute ist „im Bewusstsein weiter Teile der Bevölkerung Religion nicht mehr als bestimmender Faktor präsent“, so Eckhard Bieger. Der ehemalige Leiter des Medienstudiums der Jesuiten-Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt stellt fest, dass man sich in Europa mit der Säkularisierung abgefunden habe. Der Wille, „nicht nur den Einzelnen, sondern die ganze Gesellschaft von der Nähe des Reiches Gottes zu überzeugen“, sei gebrochen.
Alle, die trotzdem von Gott sprechen wollen, müssen in einem solchen Umfeld zunächst die Bedeutung ihrer Aussagen darlegen. Anders als in früheren Zeiten entscheiden die Menschen heute selbst darüber, ob sie sich für die religiöse Dimension des Lebens interessieren oder nicht.
Die biblische Sicht des Menschen konkurriert mit dem Menschenbild der Evolution, mit den Heilsversprechen politischer Ideologien, asiatischen Religionen, esoterischen oder neuheidnischen Strömungen. Hinzu kommt, dass die Kirche bedingt durch Skandale und Fehlverhalten an Glaubwürdigkeit eingebüßt hat. Immer wieder wird das als Argument herangezogen, warum Kirche besser schweigen solle.
Wider die Filterblase
Man kann natürlich beklagen,dass christliche Verkündigung nicht mehr genügend angenommen wird. Wer das aber nur bedauernd feststellt, um sich dann in ein selbstgewähltes Schneckenhaus oder eine institutionalisierte Filterblase des gut Christlichen zurückzuziehen, wird weder dem Missionsauftrag Jesu gerecht, noch wird er irgendeinem Menschen die Möglichkeit geben, die Frohe Botschaft für sein Leben zu entdecken. Wer den Glauben aber für sich selber als bereichernd erlebt, wäre egoistisch, würde er schweigen und so anderen die Chance nehmen, die gleichen Erfahrungen zu machen.
Missionarische Sendung
Wer nur noch für die predigt, die fest im Glauben stehen oder zum Kern der Gottesdienstbesucher gehören, „beraubt sich der Kraft des Gotteswortes“. Er signalisiert damit, „dass religiöse Rede nur für die religiös Eingestimmten Relevanz hat, nicht aber für die, die noch nicht entschieden haben“, gibt Bieger zu bedenken.
Verkündigung der Frohen Botschaft hingegen bedeutet aber nicht nur Stärkung der bereits Glaubenden, sondern immer auch eine missionarische Sendung hin zu denen, die noch nicht oder nicht mehr glauben können.
Nun sind Priester, Diakone oder Bischöfe nicht zwangsläufig begnadete Prediger. Auch bei haupt- oder ehrenamtlich in der Gemeinde Aktiven sind nicht nur charismatische Persönlichkeiten anzutreffen. Anders gesagt, nicht alle, die das Wort Gottes verkünden, verstehen es, die Zuhörerschaft mit ihren Ausführungen zu fesseln oder gar dazu zu motivieren, ihr Leben zu ändern.
Gott sei Dank, das ist in diesem Fall ausdrücklich wortwörtlich gemeint, kommt es beim Verkündigungsdienst nicht nur auf angeborenes Talent oder persönliche Überzeugungskraft an.
Predigten und Katechesen können dann gelingen, wenn die Predigenden wirklich kompetent sind, denn: „Kompetenz in Verkündigung kann gefördert und erlernt werden“, so Monika Jakobs, emeritierte Professorin für Religionspädagogik und Katechetik und ehemalige Leiterin des Religionspädagogischen Instituts in Luzern. „Kompetenz ist die Fähigkeit, in einer Situation angemessen zu handeln. Dazu ist mehr als nur Wissen, aber auch mehr als Intuition, Haltung oder Erfahrung notwendig.“
Kompetenz in Verkündigung kann gefördert und erlernt werden ... Kompetenz ist die Fähigkeit, in einer Situation angemessen zu handeln. Dazu ist mehr als nur Wissen, aber auch mehr als Intuition, Haltung oder Erfahrung notwendig.
Kompetenzen zeitgemäßer Verkündigung
Welche Kompetenzen braucht es für eine zeitgemäße Verkündigung, die einerseits gewachsene christliche Traditionen und Theologie berücksichtigt und andererseits in der Lage ist, den modernen Menschen zu erreichen?
„Typisch für die Verkündigungssituation – zumindest in Mitteleuropa – ist der Eindruck einer ‚Kirche im Gegenwind‘, von Pluralisierung und Individualisierung, … von unterschiedlichsten Erwartungen … und die Konfrontation mit oft enttäuschten oder aggressiven Gefühlen, was die ‚Großkirche‘ anbetrifft“, stellt Monika Jakobs fest. In dieser Gemengelage die Frohe Botschaft des Reiches Gottes zu verkünden, stellt eine Herausforderung dar, die sich auf drei Ebenen zeigt:
Inhaltliche Ebene der Verkündigung
Blicken wir zunächst auf den Inhalt der Botschaft. Sie ist zwar Tausende Jahre alt, hat aber nicht an Relevanz für den Menschen im Jahr 2023 verloren. Aufgabe der Verkündigung muss es deshalb sein, die Botschaft nicht nur inhaltlich sauber zu erschließen, sondern auch ihre Bedeutung für heute herauszuarbeiten.
Grundvoraussetzung dafür sind die notwendigen theologischen Kenntnisse. Bei denjenigen, die über ein theologisches Studium verfügen, sollte dies gegeben sein; andere, etwa Ehrenamtliche, sollten idealerweise Fortbildungsmöglichkeiten haben. Eine solchermaßen erworbene theologische Kompetenz sorgt nicht nur für inhaltlich „richtige“ Verkündigung, sie kann evtl. auch „Lieblingsthemen“ des Predigers auf ein normales Maß reduzieren helfen.
Ebenso notwendig wie theologisches Wissen ist die „Kunst der Wahrnehmung für das Religiöse in einem säkularisierten Umfeld“, so Monika Jakobs. Welche Fragen stellen sich die Menschen, was beschäftigt sie, wo suchen sie nach Wahrheit und wie kann die Perspektive des Glaubens ihnen dabei helfen, auch wenn sie selbst es womöglich noch gar nicht ahnen?
Sprachliche Ebene der Verkündigung
Natürlich muss auch eine gewisse Sprach- und Sprechkompetenz vorhanden sein. Der Inhalt der Verkündigung muss nicht nur richtig sein, er muss auch verständlich und verstehbar vermittelt werden. So banal es klingen mag, wenn die Verkündigung nicht verstanden wird, weil die Aussprache zu undeutlich oder zu leise ist, hat die Frohe Botschaft keine Chance.
Wenn der Prediger in wohlfeilen Worten theologisch korrekt und sprachlich hochgebildet über die Köpfe der Zuhörenden hinweg predigt, wird er weder Hirn noch Herz der Gottesdienstteilnehmer berühren. Ebensowenig werden zu lange und zu langweilige Predigten, mit Plattitüden und pastoraler Binnensprache angereicherte Beiträge niemanden begeistern können. Sie sind gleichsam immer wieder neu verschwendete Zeit, die besser zu nutzen wäre, um an dieser Stelle mal tief in die Phrasenkiste zu greifen.
Persönliche Ebene der Verkündigung
Neben inhaltlicher und sprachlicher Kompetenz wäre als dritte und wohl wichtigste Ebene der eigene Glaube des Predigers, der Predigerin zu nennen.
Glauben und leben sie das, was sie verkünden, auch selber? Sind sie sich ihrer Rolle bewusst, die sie in der Gemeinde ausfüllen?
Wir alle stehen unter der Autorität des Wortes Gottes.
Zweifelsohne sind Männer und Frauen im Verkündigungsdienst keine Superchristen, die all das, was sie in ihren Predigten sagen, selbst schon erfüllt haben. Wie alle anderen auch haben sie Fehler und Schwächen und bleiben viel zu oft weit hinter dem zurück, was die Frohe Botschaft fordert. Hier gilt die alte Predigerweisheit: „Man predigt immer zuerst sich selbst.“ Nichtsdestotrotz sollten man ihnen aber ein ernsthaftes Bemühen ansehen, den Glauben nicht nur zu erklären, sondern ihn auch zu leben.
In seiner Predigt zum Sonntag des Wortes Gottes hat Papst Franziskus es so zusammengefasst: „Wir alle, auch die Hirten der Kirche, stehen unter der Autorität des Wortes Gottes. Nicht unter unserem eigenen Geschmack, unseren Neigungen oder Vorlieben, sondern unter dem einen Wort Gottes, das uns formt, uns bekehrt und dazu einlädt, in der einen Kirche Christi vereint zu sein.“
Grundlage der Verkündigung ist das Wort Gottes. Dieses Wort ist an alle gerichtet und ruft zur Umkehr auf. Wenn es im Matthäusevangelium heißt „Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe“ (Mt 4,17),bedeutet das, „dass Gottes Nähe nicht neutral ist, seine Gegenwart … fordert uns zur Veränderung, zur Umkehr heraus“, so Papst Franziskus. Das Wort Gottes ist nicht irgendeine beliebige Botschaft, es kann das Leben derer verwandeln, die es in sich aufnehmen. Gläubige Christen sind davon überzeugt, deshalb bleibt Verkündigung in einer säkularen Gesellschaft immer ein Ringen um Glaubwürdigkeit und Relevanz, dem es sich zu stellen gilt.