Maria in der Hoffnung
Die Darstellung der Gottesmutter „Maria in der Hoffnung“, lateinisch „Maria Gravida“, ist eng mit einer Erzählung aus dem Lukas-Evangelium verknüpft. Sie erinnert an den Moment, als die schwangere Maria ihre Verwandte Elisabet besuchte, die mit Johannes dem Täufer schwanger war. Diese Begegnung ist mehr als ein familiäres Treffen. Es ist auch das erste Zusammentreffen der beiden Söhne.
Der ungeborene Johannes, der nach den Worten der Schrift bereits im Mutterleib vom Heiligen Geist erfüllt ist, erkennt in Jesus den Messias. Bei Lukas lesen wir, dass das Kind im Leib der Elisabet „hüpfte“ (Lk 1,41 und 1,44). Das ist ein Zeichen der Freude. Johannes nimmt seine Aufgabe als Vorläufer des Messias bereits wahr. Elisabet wird zur Ersten, die den Lobpreis auf Maria und ihr Kind anstimmt. Jesus, den kommenden Retter, nennt sie „Herrn“. Der Höhepunkt des Lobpreises findet sich in Vers 45: „Selig ist die, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ.“
Maria steht fest in der Tradition des Volkes Israels. Gleichzeitig wird sie zum Vorbild des Glaubens für die neue Zeit, die mit Jesus anbricht. Dem Willen Gottes gehorchend, bringt sie seinen Sohn zur Welt. Damit nimmt sie aktiv an der Verwirklichung des Reiches Gottes teil.
Die Schwangerschaft Mariens in Kunst und Theologie
Die künstlerische Darstellung der schwangeren Jungfrau Maria fand vor allem im Mittelalter und in der Volkskunst des 18. Jahrhunderts weite Verbreitung. Diese Darstellungen knüpfen direkt an die Begegnung von Maria und Elisabet an, die in der christlichen Tradition als „Heimsuchung“ bezeichnet wird. Die christliche Kunst thematisierte dabei die Schwangerschaft Mariens in Kindheitsszenen Jesu, aber auch in Einzeldarstellungen der Gottesmutter und im Zusammenhang mit der Eucharistie. Das geschah mal realistisch, mal symbolisch.
Es gibt Darstellungen Mariens, die sie mit gewölbtem Bauch zeigen, aber auch Bilder, auf denen die Figur des Kindes oder die Buchstaben „IHS“ auf dem Bauch der Jungfrau zu sehen sind. Ausgangspunkt dieser Darstellungen ist der Lobpreis, mit dem Elisabet Maria begrüßte: „Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes“ (Lk 1,42). Dieser Vers wurde besonders durch das „Ave Maria“ im Bewusstsein der Gläubigen verbreitet, das etwa seit dem 7. Jahrhundert Teil der Adventsliturgie wurde. Seit dem 13. Jahrhundert ist es eines der verbreitetsten christlichen Gebete überhaupt.
Die übrigen Aussagen in der Bibel über die Schwangerschaft Mariens sind recht spärlich und wenig anschaulich. Johannes schreibt im Prolog seines Evangeliums nur: „Das Wort ist Fleisch geworden“ (Joh 1,14). In Texten von Mystikern und in apokryphen Evangelien wird die Schwangerschaft hingegen ausführlich dargelegt. Im apokryphen Bartholomäus-Evangelium etwa heißt es: „O Mutterschoß, der du, im Leibe verborgen, den weithin sichtbaren Christus geboren hast!“
In der mittelalterlichen Mystik führte die Identifikation mit der Gottesmutter zum Bild der „geistlichen Schwangerschaft“: So mahnte ein Abt im 12. Jahrhundert seine Mitbrüder: „Tragt Sorge um den Sohn Gottes in Euch!“ Auch in der Ostkirche kennt man Darstellungen der Maria Gravida. Auf Ikonen hält Maria Jesus in einer Scheibe vor der Brust, ohne Verbindung zwischen Mutter und Sohn. Bei dieser Darstellung spricht man von „Platytera“ oder „Muttergottes vom Zeichen“. Dieser Bildtypus hat sich in der westlichen Kirche nicht durchsetzen können.
Maria, die Hoffende, Vorbild im Glauben
„Maria in der Hoffnung“, dieser Titel trifft nicht nur auf die Schwangerschaft Mariens zu. Elisabet preist Maria selig, weil sie geglaubt hat. Die Größe Mariens besteht in ihrem Glauben, der der Grund ihrer Hoffnung ist. Ihr Glaube war kein fester Besitz. Sie wusste am Anfang sicher noch nicht, wozu sie Ja gesagt hatte, als der Engel ihr ankündigte, sie werde einen Sohn gebären. Im Laufe des Lebens musste sich ihr Glaube oft bewähren. Sie wird vieles nicht gleich verstanden haben, was Gott ihr zugemutet hat: unverheiratet schwanger, eine Geburt unter ärmlichsten Verhältnissen, Flucht in ein fernes Land, das Leiden und Sterben ihres Sohnes.
Maria ist ihren Weg in treuem Glauben gegangen. Darin ist sie Mutter der Glaubenden, Vorbild und Hilfe der Glaubenden. Offen sein für Gott im Alltag, auf ihn hören, seinem Wort trauen, auch wenn wir ihn nicht immer sofort begreifen – darin bewährt sich unser Glaube, das ist Hoffnung auf Gott. Nichts anderes ist christliches Leben. Maria hat das vorgelebt. Ihre Darstellung als Maria Gravida bringt das zum Ausdruck.