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Orientierung
Freitag, 10. Februar 2023
Zum Tag der Kinderhospizarbeit

"Das Kind ist der Auftraggeber"

„Wir haben vergessen das Leben zu fragen, / was es mit dir vorhat“

So steht es auf einer Tafel in den Räumen des Ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienst Frankfurt / Rhein-Main. Wenn ein Kind lebensverkürzend erkrankt, bricht eine Welt zusammen. Für die Familie ist das eine extreme Herausforderung.

Dann tut Hilfe Not. Denn dann muss viel passieren: Das soziale Leben muss umgestellt, Pflege organisiert werden. Alle müssen irgendwie damit klar kommen, dass nichts mehr so ist, wie vorher. Es ist ein Leben mit radikaler Unsicherheit: Auch die Ärzte können häufig nicht sagen, wie lange das Kind noch leben wird, wie sich Krankheit entwickelt. Der nächste Tag kann ein schöner oder ein schrecklicher sein.

In solchen Fällen greift die Kinderhospizarbeit. Diese findet weitgehend ambulant statt. Und wird meistens von Ehrenamtlichen gestemmt. So ist es auch beim Verein Ambulanter Kinder- und Jugendhospizdienst Frankfurt / Rhein-Main, der derzeit 40 Kinder im ganzen Rhein-Main-Gebiet betreut.

Lebensverkürzende Krankheit

Lebensverkürzende Krankheit, das klingt technisch und akademisch, ist aber notwendig, um ein komplexes Phänomen zu beschreiben. Denn man kann nicht einfach von einer schweren oder schwersten Krankheit sprechen – diese müssen nicht zum Tod führen. Man kann auch nicht von einer schweren Behinderung sprechen – diese sind zwar häufig auch lebensverkürzend, aber nicht notwendigerweise.

In Deutschland leben in etwa 50.000 Kinder und Jugendliche mit lebensverkürzenden Erkrankungen, wovon jährlich etwa 5000 sterben. 

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Gut vorbereitet für einen fordernden Dienst

Um der Aufgabe in den Familien gewachsen zu sein, müssen die Begleiter gut vorbereitet werden. 100 Stunden lang werden sie qualifiziert, bevor sie beginnen dürfen. Dann gilt es, die richtigen Einsatzorte zu finden. Diese Entscheidung treffen die Beteiligten gemeinsam: Die Ehrenamtliche schaut, ob sie mit dem Kind und der Familie kann, die Familien und Kinder prüfen, ob sie die Ehrenamtliche so nah an sich heranlassen wollen. Besonders wichtig ist es dabei, auf die Wünsche und Bedürfnisse der Kinder zu schauen, so Reither-Möschter: „Das Kind ist Subjekt und Auftraggeber.“

Das Kind als Auftrageber

Diese Grundperspektive leitet die Arbeit der Vereins. Häufig genug werden die Eltern von oben herab behandelt: Ärzte, Institutionen, aber auch das soziale Umfeld wollen ihnen sagen, was sie machen sollen. „Für uns sind die Eltern und Kinder die besten Experten“, betont Reither-Möschter. Denn wenngleich es eigene Kinderpflegedienste gibt: Die meiste Arbeit muss durch die Eltern erledigt werden.

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Der 10.02. ist in jedem Jahr der Tag der Kinderhospizarbeit

Kinderpalliativdienste und stationäre Hospize

Wenn die Krankheit sehr fortgeschritten ist, kommen Kinderpalliativdienste zum Einsatz. Das ist dann der Fall, wenn die Schmerzen unerträglich werden oder es auf die finale Phase zugeht. Auch für diese Dienste gilt der Grundsatz: Den Kindern solange wie möglich die vertraute Umgebung zu erhalten.

Wenn das nicht mehr geht, werden stationäre Kinderhospize wichtig. Sie weit mehr als eine Palliativstation für die letzte Lebensphase. Ein großer Dienst, den sie leisten ist es Entlastungsaufenthalte zu ermöglichen. Für mehrere Wochen im Jahr können sie Familien beansprucht werden, um eine Pause vom Alltag zu haben, einem Alltag, in dem alle Betroffenen unter extremer Belastung stehen. Franziska Kopitzsch, Geschäftsführerin des Bundesverband Kinderhospiz erklärt: „Das gesamte Familiengefüge wird in der Kinderhospizarbeit als untrennbare Einheit betrachtet. Wenn ein Kind lebensverkürzend erkrankt ist, betrifft das jedes einzelne Mitglied der Familie. Deshalb ist so wichtig, dass neben den schwerstkranken Kindern, auch Eltern und Geschwister Hilfe zuteilwird.“

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Grün ist die Farbe der Hoffnung. Jedes Jahr werden am 10. Februar Gebäude in Deutschland grün angestrahlt

Langzeitbegleitung

Diese Hilfe kann über viele Jahre andauern. Heute können Krankheiten wesentlich besser behandelt werden und die erkrankte Kinder deutlich länger leben. Die längste Begleitung eines krankes Kindes, die ihr Verein derzeit durchführe, dauere mittlerweile zwölf Jahre, so Reither-Möschter.

Neben individuelle Begleitungen, organisiert der Frankfurter Verein auch viele Gruppenangebote. Die Geschwistergruppe oder der Müttertreff bieten Chancen, einander zu begegnen und das Schicksal mit Menschen zu teilen, die einen verstehen.

Das gilt auch für die Ehrenamtlichen. Sie treffen sich in eigenen Gruppen und erhalten alle drei Monate eine Supervision.

Die Begleitung der Ehrenamtliche ist auch wichtig, um immer wieder die eigenen Grenzen auszuloten. Schon zeitlich. Denn mehr, mehr könnte man sich immer einsetzen. Deswegen sind die Koordinatoren immer dabei, wenn die grundlegenden Vereinbarungen über die Zeit getroffen werden. Manche Familien möchten ein paar Stunden an einem festen Tag in der Woche, bei anderen ist der Bedarf flexibler, manche möchten es nur einmal im Monat.

Auch nach dem Tod des Kindes können Familien vom Kinderhospizdienst noch begleitet werden, wenn sie es möchten. „Hospizliche Arbeit ist Lebensbegleitung eines Lebens bei dem das Sterben dazugehört“, so Reither-Möschter.

Fotos

Alle Fotos: Deutscher Kinderhospizverein