Unersetzliches Glaubenszeugnis
Bei einer Katechese über soziale Gerechtigkeit und die allgemeinen Herausforderungen christlichen Zeugnisses hörte ich eine Jugendliche entnervt sagen: „Ich bin nicht Mutter Teresa!“
Ich war dann eigentlich ganz glücklich, weil ich dachte: „Die kennt sie schon mal!“ Offenbar brauchen wir auch im Glauben schockierende Vorbilder, die uns so unerreichbar erscheinen, dass wir sie zunächst ablehnen. Es ist dann oft der zweite Schritt, in dem uns das, was kaum umsetzbar wirkt, letztlich anspornt. Es geht ja nicht darum, Heilige zu kopieren. Es geht darum, sich von ihnen inspirieren zu lassen. Die Armen der Mutter Teresa sind nicht meine Klientel. Mir begegnet die Armut unserer Tage auf eine ganz andere Art. Und wenn ich mich nicht verweigere, kann ich den vielen Armen meines Alltags auf meine Weise begegnen. Das bedarf des Ansporns.
Weniger bekannt als Mutter Teresa ist Schwester Dulce. Sie wurde 2011 seliggesprochen. Die Heiligsprechung erfolgte dann schon 2019. Ihr Gedenktag ist der 13. August.
Ein Blick in die Vergangenheit: Wer war Schwester Dulce?
Schwester Dulce hieß mit bürgerlichem Namen Maria Rita de Souza Brito Lopes Pontes. Sie war am 26. Mai 1914 in Salvador da Bahia zur Welt gekommen. Nach dem Besuch eines Armenviertels ihrer Heimatstadt beschloss die 13-jährige Tochter eines wohlhabenden Zahnarztes, ihr Leben in den Dienst der Ärmsten zu stellen. 1933 trat sie den „Missionsschwestern von der Unbefleckten Empfängnis der Mutter Gottes“ bei, die in Deutschland auch unter dem Namen „Wilkingheger Missionsschwestern“ bekannt sind. Maria Rita bekam den Ordensnamen Dulce. Die junge Ordensfrau wurde Lehrerin und begann in der Unterstadt von Salvador da Bahia mit der Sozialarbeit unter den Armen.
1936 gründete Schwester Dulce einen Verein zur Versorgung von kranken und unterbezahlten Arbeitern. 1939 eröffnete sie eine eigene Schule für arme Kinder. Im Hühnerstall des Klosters entstand ein Armenhaus. Daraus sollte später das Krankenhaus San Antonio werden, das heute mehr als tausend Patienten aufnehmen kann. Schwester Dulce hat nach und nach eines der größten katholischen Sozialwerke Brasiliens ins Leben gerufen. Der „gute Engel von Bahia“, wie Schwester Dulce von den Armen genannt wurde, starb am 13. März 1992.
Ein Blick in die Zukunft: Was könnte die hl. Schwester Dulce von mir wollen?
Arme, Schwache und Benachteiligte gibt es überall. Auf irgendeine Art begegnen sie uns fast täglich. Manchmal ist die heute so vielfältige Armut sehr offensichtlich. Oft aber tut sich die wahre Armut erst in der konkreten Begegnung kund. Keine Frage, die Kirche hat sich um diese Menschen zu kümmern. Zum Glück haben wir eine gut organisierte Caritas, die das im Namen der Kirche sehr professionell tut. Gott sei Dank. Das ist aber nur eine Seite der Medaille.
Die andere Seite sind die „Armen“ unseres Alltags. Wer kümmert sich um die Armen, Schwachen und Benachteiligten in meiner Familie, in meiner Straße, an meinem Arbeitsplatz, in meiner Schulklasse…? Wenn ich es als Getaufte oder Getaufter mit der Nachfolge Christi ernst meine, heißt die Antwort auf diese Fragen immer auch: ich! Dieses Bewusstsein muss wachsen. Geht es doch nicht nur um mich und mein Gegenüber. Es geht auch um die Frage, wie Gottes Liebe durch mich erfahrbar wird. Institutionen ersetzen nicht das Glaubenszeugnis. Es ist ja das Glaubenszeugnis, das die Institution ausmacht. Die hl. Schwester Dulce hat das vorgelebt.
Gebet
Heilige Schwester Dulce,
Du hast die Begegnung mit den Armen nicht gescheut.
Du hast einen Blick für ihre wahren Bedürfnisse entwickelt.
Deine Liebe zu Christus hat Dir alle Vorbehalte genommen.
Ich schaue manchmal hilflos weg, wenn sich Armut offenbart.
Oft erkenne ich die Armen an meiner Seite im Leben gar nicht.
Ich helfe gerne indirekt und beruhige damit mein Gewissen.
Der Glaube gebietet die direkte Begegnung.
Der Glaube setzt auf mein gutes Wort und meine helfende Hand.
Meine Liebe zu Christus muss wachsen.
Heilige Sr. Dulce, das erbitte ich auf Deine Fürsprache von Gott, durch Christus, unseren Herrn.