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Donnerstag, 1. Dezember 2022
Zum Welt-Aids-Tag am 1. Dezember

Die Pandemie, die nicht vergessen werden darf

Es gehört zu den bedauerlichen Ungleichgewichten in der Welt, dass ein Phänomen global häufiger erst dann Aufmerksamkeit erhält, wenn es für den Westen, also Europa und Nordamerika, zum Thema geworden ist. Das gilt auch für das Humane Immundefizit-Virus, kurz HIV.

Die Wissenschaft geht derzeit davon aus, dass das Virus erstmals Anfang des 20. Jahrhunderts in Kamerun auf den Menschen übergesprungen ist, vermutlich im Kontakt zwischen Mensch und infizierten Schimpansen. Von Kamerun aus verbreitete es sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Afrika, besonders in den großen Städten. Erstmals nachgewiesen wurde es in den 1960 er Jahren in Leopoldville, dem heutigen Kinshasa im Kongo.

Doch hat weder die Weltöffentlichkeit noch die Medizin lange davon Kenntnis genommen. Erst als es in den siebziger Jahren, vermutlich über Haiti, deinen Weg in die USA gefunden hatte, fiel es auf. Zunächst wunderten sich die Ärzte, warum eine ganze Reihe junger Männer auf einmal an Krankheiten starben, die sie eigentlich ohne Probleme überleben müssten. Nach Recherchen kam heraus: Alle Betroffenen waren homosexuell. Das Wort von der „Schwulenseuche“ war in der Welt. Trotz jahrzehntelanger Aufklärungskampagnen ist es bis heute immer noch nicht aus dem Bewusstsein der Menschen verschwunden.

Doch, warum waren schwule Männer betroffen? HIV wird in der Regel nicht im Alltag übertragen. Das Virus kann dann am besten überspringen, wenn es direkt ins Blut der Betroffenen gelangt oder von den Schleimhäuten aufgenommen wird. Das ist zum einen etwa der Fall, wenn man mit einer nicht-sterilisierten Nadeln gestochen wird. Entsprechend sind Drogenabhängige eine gefährdete Gruppe. Eine andere Variante ist die sexuelle Übertragung. Grundsätzlich kann HIV bei jeder Form des Geschlechtsverkehrs weitergegeben werden. Häufiger trifft dies bei Geschlechtsverkehr zwischen zwei Männern ein, dass es hierbei leichter zu Mikroverletzungen kommen kann und die Schleimhäute im Darm das Virus leichter aufnehmen.

HIV war über viele Jahrzehnte im Westen eine unsichtbare zugleich stigmatisierte Pandemie. Größere Aufklärungskampagnen fanden in den 2000er Jahren statt. Mit Erfolg: Mittlerweile ist HIV in Westeuropa und den Vereinigten Staaten gut unter Kontrolle. Die Ansteckungszahlen sinken seit Jahren und mittlerweile kann HIV zwar nicht geheilt werden, doch ist es mit Medikamenten gut behandelbar.

In Deutschland

  • In Deutschland lebten Ende 2020 rund 91.400 Menschen mit HIV.
  • 79.300 Betroffene nehmen Medikamente gegen das Virus.
  • Ungefähr 2.000 Menschen infizierten sich im Jahr 2020 neu.

In Deutschland sind 90 Prozent der HIV-Infektionen diagnostiziert, 97 Prozent der Diagnostizierten erhalten HIV-Medikamente, bei 96 Prozent davon ist HIV nicht mehr nachweisbar. Damit liegt Deutschland im Rahmen der 90-90-90-Ziele, welche die UN vorgegeben hat.

Ein großes Problem ist HIV freilich global; besonders in Afrika südlich der Sahara.

Weltweit

  • Ende 2020 lebten weltweit 37,7 Millionen Menschen mit HIV
  • 28,2 Millionen hatten Ende Juni 2021 Zugang zu HIV-Medikamenten.
  • 1,5 Millionen Menschen infizierten sich 2020 weltweit neu mit HIV.
  • 680.000 Menschen starben im Zusammenhang mit ihrer HIV-Infektion.

Man könnte fragen: Wieso gibt es dagegen keine Impfung? Das Virus ist ja seit siebziger Jahren auch im Westen bekannt, es wird seit vielen Jahren intensiv daran geforscht. Das bislang keine Impfung dagegen entwickelt werden konnte hängt mit der Mutationsrate von HIV zusammen. Das Virus verändert sich schnell. Im Körper eines einzigen Menschen entstehen mehr HIV Typen als weltweit Erkältungsviren gezählt werden. Ein Impfstoff würde also nicht mal gegen alle Virusvarianten in einem einzigen Menschen helfen.

So bleibt HIV der Umgang damit weiterhin eine gesellschaftliche Aufgabe. Am besten hilft gegen HIV nach wie Aufklärung über das Virus und präventive Schutzmaßnahmen. Wenn es dann doch zu einer Infektion gekommen ist, sollte diese auch erkannt werden – was aufgrund der unspezifischen Symptome nicht selbstverständlich ist. Ist die Krankheit richtig diagnotiziert, braucht es den langfristigen Zugang zu modernen Medikamenten. Ein Ziel, das in Deutschland schon weit fortgeschritten ist. Gerade in Ländern aber, die es besonders nötig hätten, noch nicht.

Besonders in den südafrikanischen Staaten grassiert HIV nach wie vor. Den Rekord hält Swasiland mit 26,80 Prozent der erwachsenen Bevölkerung, die mit HIV infiziert ist. In Südafrika, dem größten betroffenen Flächenstaat, lag der Anteil 2020 bei 19,10 Prozent, also 7,8 Millionen Menschen.