Appell der Kirche in Lateinamerika gegen Gewalt und Drogenhandel
Bogota - Die Stadt Buenaventura an Kolumbiens Pazifikküste ist seit jeher ein Hotspot des internationalen Drogenhandels. Wer die Netflix-Serie "Narcos" gesehen hat, dürfte sich an eine Folge erinnern, in der das Cali-Kartell um die Rodriguez-Brüder versucht, den Hafen von Buenaventura in seine Gewalt zu bringen. Dort sorgt nun im wirklichen Leben eine neue Gewaltwelle für Proteste in der Bevölkerung.
"Der Staat hat uns im Stich gelassen. Wir warten immer noch darauf, dass die Regierung die Sicherheit in unseren Gebieten garantiert", sagte Mario Angulo, Koordinator der afrokolumbianischen Gemeinden Buenaventuras kürzlich einem lokalen Radiosender.
Flammt die Gewalt wieder auf?
Inmitten dieser Gemengelage kam die Nachricht, dass Kolumbiens Präsident Gustavo Petro den Waffenstillstand mit dem mächtigen Verbrechersyndikat "Clan del Golfo" aufgekündet hat, weil es sich nicht an Abmachungen gehalten habe.
Nun befürchtet die katholische Kirche, dass die Kämpfe in den benachbarten Provinzen Choco und Valle wiederaufflammen. "Wir sind besorgt", sagte Buenaventuras Bischof Ruben Dario Jaramillo und regte an, die Entscheidung zu überdenken.
Die Streitkräfte seien aufgerufen, ab sofort wieder gegen die mafiöse Gruppe vorzugehen, ordnete Präsident Petro an. Dem "Clan del Golfo", der weite Teile des Drogenhandels in Kolumbien kontrolliert, werden schwerste Menschenrechtsverletzungen wie Folter, Mord, Vertreibung und sexuelle Gewalt vorgeworfen.
Nachfrage nach Kokain steigt - und zersetzt den Staat
Aus den USA kommen derweil Berichte, dass die Kartelle in Mexiko und Kolumbien angesichts einer steigenden Nachfrage nach Kokain den Seetransport verstärkt in den Blick nehmen. Das Rote Kreuz warnte in dieser Woche, trotz aller Friedensbemühungen habe sich die Konfliktlage verschärft. Die kolumbianische Menschenrechtsorganisation Indepaz berichtet in diesem Zusammenhang über eine anhaltende Mordserie.
Auch in Mexiko ist die Kirche zunehmend besorgt über das Ausmaß der Gewalt. Der Mord an zwei Jesuiten lenkte vor wenigen Monaten internationale Aufmerksamkeit auf das Land. Vor einigen Tagen wurde die Leiche des mutmaßlichen Auftragsmörders "El Chueco" gefunden. In einer ersten Reaktion erklärten die mexikanischen Jesuiten, sein Tod sei ein weiteres Zeugnis für das Fehlen einer wirksamen staatlichen Strafverfolgung.
Trotz der anhaltenden Gewalt will der Orden weiter Partei für die Leidtragenden ergreifen. "Wir Jesuiten haben nie geschwiegen und werden auch nicht schweigen. Wir werden uns weiterhin in ganz Mexiko für Frieden, Gerechtigkeit, Menschenrechte und den Wiederaufbau des sozialen Gefüges einsetzen", hieß es in der Stellungnahme.
Komplizenschaft des organisierten Verbrechens mit dem Staat
In Argentinien konzentrierten sich die Aggressionen jüngst auf die Industriestadt Rosario. Auch dort meldete sich die Kirche mit einem verzweifelten Appell zu Wort. Bischof Jorge Lugones von Lomas de Zamora prangerte die "endlose Eskalation der Gewalt" an, die Rosario heimsuche.
Verantwortlich dafür seien Banden des organisierten Verbrechens, die sich immer weiter ausbreiteten. Dies geschehe unter "Komplizenschaft" der zuständigen staatlichen Stellen, die tatenlos zusähen. Argentiniens Präsident Alberto Fernandez versprach nach der öffentlichkeitswirksamen Kritik, sich des Themas anzunehmen. Sein erster Schritt: die Ernennung eines Sonderbeauftragten. (KNA)