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Quellen des Glaubens
Mittwoch, 13. Juli 2022
Die Entstehung der Dominikaner und Franziskaner

Wie eine idee die Verkündigung revolutionierte

Ein Sohn aus bürgerlichem, konservativem Haus verkündet seinen Eltern, er werde die Universität hinschmeißen und stattdessen Rockmusiker werden.

So ähnlich mag der Eindruck gewesen sein, den es auf die adeligen Eltern Thomas von Aquins gemacht haben muss, als ihr Sprössling ihnen erklärte, er werde Dominikaner. Für die Familie war nicht das Ordensleben des jungen Mannes an sich das Problem, schließlich hatten sie ein Benediktinerkloster für ihn vorgesehen. Dass Thomas in einen Bettelorden eintrat, das war für die Eltern unfassbar. Diese Geschichte illustriert das aufrüttelnd Neue der Bettelordensbewegung um das Jahr 1200.

Halb Christ, halb Heide

Das Europa der romanischen Dome war halbes Missionsland. Unter der christlichen Oberfläche lebte ein getauftes Heidentum weiter: Die Götter hießen Heilige und statt Brandopfern brachte man Kerzen dar, die man an den Schreinen der Heiligen entzündete, von deren Reliquien magische Kraft ausging.

Was der Bauer im Europa des 13. Jahrhunderts vom Evangelium wusste, darüber streiten die Wissenschaftler. Viel mehr als die wesentlichen Botschaften des Christentums, wann welches Fest begangen wird und eine der bekannten Erzählungen aus der Bibel wohl nicht.

Woher sollte der Bauer es auch wissen: Sein Pfarrer war Bauer wie er, der sich auf das Säen und Ernten verstand und der von seinem Onkel, Vater oder einem anderen Verwandten das Handwerk gelernt hatte, wie man tauft, beerdigt und die Hand beim Gebet hält. Das Latein, in dem er die Messe las, verstand er zumeist selbst kaum.

Was der Bauer aber wusste: Die hohen Herren der Geistlichkeit, Bischöfe, Äbte und Prälaten, sie benahmen sich wie die Ritter und Fürsten. Was er dem Boden an Erträgen abrang, das nahm man ihm wieder weg, um es in Pomp zu investieren.

Was der Bauer von seiner Kirche erwartete, war jahrhundertelang das gewesen: dass die Rituale, denen er magische Bedeutung zumaß, richtig ausgeführt wurden und ihm so Trost, Hoffnung und Ordnung spendeten.

In dieser Ordnung hatten sich die Klöster eingerichtet. Die Gemeinschaften waren reich, Wirtschaftsbetriebe mit großen Besitzungen; die Mönche bauten Zentren der Kultur und des Gebetes auf. Aber: Sie blieben abgeschlossen. Die Mönche beteten für die Menschen, nicht mit ihnen. An der Verkündigung des Evangeliums beteiligten sie sich in der Regel nicht. Ihre Äbte waren Adlige, die in Prälaturen eher ein weltliches als ein geistliches Leben führten.

Doch diese Ordnung begann im hohen Mittelalter zu zerbröckeln. In den Städten, aber auch auf dem Land, wurden neue Fragen an die Kirche gestellt; auch Laien wollten das Christentum intensiver leben, wollten mehr wissen und erwarteten von der Kirche, sie solle sich an den Maßstäben Jesu messen lassen. So drohte das spirituell-geistliche Gebäude Europas morsch zu werden. Doch Rettung nahte. Es waren vor allem zwei Ordensgründer, die auf die Anfragen der Zeit reagieren: Dominikus und Franziskus.

Kaufmannssohn, Eremit, Ordensgründer

Franziskus (1181–1226) war der Sohn eines wohlhabenden Kaufmanns aus Assisi. Als junger Mann genoss er das Leben. Aus einer Kriegsgefangenschaft kam er innerlich erschüttert zurück, suchte nach spiritueller Erfüllung und empfing 1206 eine Berufung; er begann, Kirchen zu renovieren: Mit dem Geld seines Vaters, der schließlich einen Prozess gegen den Sohn anstrebte.

So kam es zu jener Szene, in der Francesco dem Vater seine Kleider zurückgab. Zunächst lebte er als Einsiedler und erbettelte sich sein Essen. Bald schon sammelten sich Gleichgesinnte um ihn. Er zog schließlich nach Rom und erhielt die Anerkennung seiner Gemeinschaft durch den Papst.

Franziskus stand dennoch häufig quer zur bestehenden Hierarchie: Er wollte keinen Besitz, weder für sich noch für seine Gemeinschaft; und obwohl er als Missionar durch Italien und den Nahen Osten zog, verzichtete er auch auf die Priesterweihe.

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Fra Angelico

Doch die Herzen der Menschen waren durch dieses Vorgehen nicht gewonnen, wie Dominikus und sein Bischof schnell erkannten. Beide waren überzeugt: Es fehlt der Kirche an Predigern, die auf Augenhöhe mit den Albigensern diskutieren konnten und deren Leben dem Evangelium entsprach.

So führten Dominikus und sein Bischof in Südfrankreich das Leben von Wandermissionaren, die in die Dörfer und Städte gingen, den Menschen predigten und durch ihr Vorbild überzeugten. Schließlich gründete Dominikus eine Gemeinschaft in Toulouse, die Keimzelle der späteren Dominikaner.

Das Evangelium für eine neue Zeit

Dominikaner und Franziskaner: Ordensleute ohne dauerhafte Anbindung an ein Kloster, der evangelischen Armut verpflichtet, ohne eigenen Besitz, die besonders in die gerade expandierenden Städte zogen.

Beide Gemeinschaften und ihre Gründer zeigen die Wandlungsfähigkeit der Kirche: Den als ketzerisch verurteilten Albigensern waren sie in vielen Punkten ähnlich. Was sie aber von diesen unterschied: Der Ort ihres Glaubens war die ihnen konkret entgegentretende römisch- katholische Kirche.

Und sie hatten Glück: Die Päpste, mit denen sie es zu tun hatten, sahen die Probleme. Und sie erkannten, dass diese neuen Gemeinschaften Menschen wieder zum Glauben führen konnten.

So erhielten beide, Franziskaner und Dominikaner, die päpstliche Approbation und damit auch den päpstlichen Schutz. So entstand etwas Neues: Fromme Asketen durchwanderten die westliche Christenheit, immer bereit, dorthin gesandt zu werden, wohin sie gerufen wurden. Der Ruf erging zentral, durchorganisiert von den jeweiligen Ordensoberen. So brach mit den Bettelorden eine neue Zeit an.