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USA
Donnerstag, 7. Juli 2022
Ein Glaubensvorbild aus der afroamerikanischen Gemeinschaft

Vor 125 Jahren starb der erste schwarze US-Priester

Augustus Toltons größter Wunsch war es, Priester zu werden. Dieser Wunsch ging in Erfüllung. Doch er musste viele Hürden überwinden: Denn er war schwarz. Der alles überwältigende, strukturelle Rassismus sah einen schwarzen Priester nicht vor. Augustus Tolton starb vor 125 Jahren, am 9. Juli 1897 im Alter von nur 43 Jahren. 

Die Sklaverei gilt als die Ursünde der USA, ihre Folgen gelten bis heute nicht als überwunden. Denn auch nach ihrer Abschaffung 1865 wurden Menschen afroamerikanischer Herkunft diskriminiert - bis hin zur Einschränkung ihrer Bürgerrechte. Sie blieben einem strukturellen Rassismus ausgesetzt, der auch das Leben von Augustus Tolton nachhhaltig beeinflusste.

Augustus wurde am 1. April 1854 auf einer Plantage in Ralls County im heutigen US-Bundesstaat Missouri geboren. Seine Eltern, Martha und Peter Paul, waren beide Sklaven. Sein Vater floh 1861, zu Beginn des US-amerikanischen Bürgerkriegs, seine Mutter gelang später ebenfalls mit den vier Kindern die Flucht.

Martha Tolton war katholisch und sehr fromm. Sie wollte unbedingt ihre Kinder in einer katholischen Schule unterbringen; was ihr trotz aller Schwierigkeiten gelang. Zu dieser Zeit fasste ihr Sohn Augustus den Entschluss, Priester zu werden - was damals so realistisch war wie eine Reise zum Mond.

Auf nach Rom

Jedes Priesterseminar in den USA hat ihn abgelehnt. In den Franziskanern des St. Francis Solanus College in Quincy fand er Förderer, die sich für ihn einsetzten und einen Platz in einem Seminar für ihn fanden: An der Päpstlichen Universität Urbaniana in Rom, die zur Kongregation Propaganda Fide gehörte.

Im April 1886 wurde er in der Lateranbasilika geweiht. Tolton wurde aber nicht wie erwartet nach Afrika in die Mission geschickt, sondern zurück in die USA. Sein Leben als einziger schwarzer Priester in den USA war extrem schwierig, weil er immer unter Beobachtung stand, und vor allem einsam. Ihm fehlten Priester seiner Herkunft, mit denen er sich über seine Erfahrungen austauschen konnte.

In Chicago fand er dann seine Heimat als Priester für die schwarzen Katholiken. Er war wegen seiner guten Predigten, seiner schönen Singstimme und seinem Talent für das Akkordion sehr beliebt. Reichtümer fand er dort nicht, im Gegenteil. Er teilte die Armut der ihm als Seelsorger anvertrauten Menschen, aber ihm wurde Anerkennung für seinen Einsatz zuteil. Er starb 1897 während einer Hitzewelle, die seinen schon angegriffenen Körper überforderte.

Ein Seliger für die schwarzen Amerikaner?

2010 wurde für ihn ein Seligsprechungsverfahren eröffnet. Dass auf einmal Bewegung in die Seligsprechung kam, könnte an der Initiative von drei historisch schwarzen Pfarreien in Baltimore liegen. Sie haben sich Ende vergangenen Jahres zu einer katholischen Laieninitiative zusammengeschlossen mit dem klaren Ziel: Wir brauchen endlich schwarze Heilige! Sie forderten Papst Franziskus auf zu handeln.

Für die afroamerikanische katholische Gemeinschaft in den USA gibt es weder Selige noch Heilige. Das betrachtet die Laieninitiative als Zeichen eines andauernden strukturellen Rassismus in der katholischen Kirche der USA. Wenn das Verfahren von Augustus Tolton tatsächlich bald zum Abschluss käme, dann ginge der schüchterne Mann, der Einsamkeit, Armut und Rassismus reichlich aushalten musste, in die Geschichte als doppelter Erster ein: der erste Priester und der erste Selige aus der afroamerikanischen Gemeinschaft.

Christiane Laudage (KNA)