Vorschau Der Liobaaltar in der Stadtkirche St. Martin in Tauberbischofsheim
Orientierung
Das Vorbild der Heiligen
Montag, 23. Mai 2022
Lioba von Tauberbischofsheim

Kirche immer neu geistlich denken

Man kann es drehen und wenden wie man will, die Kirche macht im deutschen Sprachraum seit Jahren Negativschlagzeilen. Und wie es bei Schlagzeilen eben oft so ist, da vermischt sich beschämend Wahres mit Spekulationen und ideologische gefärbten Übertreibungen. Wenn die Kirche, ganz egal ob selbst verschuldet oder nicht, in ein negatives Licht gerückt wird, tut das gläubigen Katholiken weh. Die Kirche ist ja nicht nur ein Betrieb unter vielen, sie ist ja Gottes Werk und soll es auch bleiben.

Ob berufen oder nicht, ob versiert oder nicht, nicht wenige rufen heute nach einer neuen Kirche. Ob die konkreten Verbesserungsvorschläge, die alle mehr oder weniger seit Mitte der 1970er im Raum stehen, zu einer Veränderung führen, die den Glauben vertiefen, vermag niemand zu sagen. Dazu kommt, dass Strukturveränderungen nicht garantieren, dass das Wesentliche bleibt und die Sache Gottes wirkungsvoll in die Zukunft getragen wird.

In der 2000-jährigen Geschichte der Kirche waren es immer heilige Frauen und Männer, die in Krisenzeiten die Weitergabe des Glaubens garantiert haben. Aufopferungsvoll und ideenreich haben sie sich dem Ruf Gottes gestellt und auf ihre Weise die kirchliche Tradition geprägt. Oft waren sie mit Situationen konfrontiert, in denen sie Kirche geistlich ganz neu denken mussten. Ein Beispiel ist die hl. Lioba, deren Gedenktag die Kirche am 28. September begeht.

Ein Blick in die Vergangenheit: Wer war die hl. Lioba?

Die hl. Lioba wurde um 710 im englischen Wessex geboren. Der Vater hieß Dynne (665-725), die Mutter Ebba (665-730). Die wohlhabenden Eltern gehörten zur zweiten christlichen Generation nach der Christianisierung der Angelsachsen. Man lebte in der Familie also von der Begeisterung wie der Glaube das Leben prägen kann.

Lioba war das einzige Kind. Die Mutter war eine Verwandte des hl. Bonifatius (673-754). Auf seine Vermittlung hin erhielt Lioba Erziehung und Schulbildung im Benediktinerinnenkloster Wimborne. Sie entschied sich folglich für das Ordensleben. Lioba hatte sich bald ein immenses Wissen in Theologie und Literatur angeeignet. Als Nonne lebte sie dann zunächst in den englischen Klöstern Kent und Minster. Angeeifert vom hl. Bonifatius, ihrem Verwandten, dem Lioba bis zu seinem Martertod innig verbunden blieb, mache sich Lioba 735 selbst als Missionarin ins Frankenreich auf.

Der hl. Bonifatius, damals die kirchliche Autorität in den deutschen Landen, macht Lioba zur Äbtissin des neugegründeten Klosters Tauberbischofsheim. Lioba baute dort mit den Schwestern ein bedeutendes Bildungs- und Kulturzentrum auf. 

Als Äbtissin verkehrte die politisch interessierte Lioba sogar am Kaiserhof und in Adelskreisen. Sie soll nicht nur fromm, sondern auch unterhaltsam und heiter gewesen sein. Aus Wertschätzung schenkte ihr Karl der Große (747-814) das Gut Schornsheim bei Mainz, wo Lioba 782 verstarb. Als frauliches Missionars-Pendent zum hl. Bonifatius wurde Lioba zunächst neben dem „Apostel der Deutschen“ in Fulda bestattet. 836 wurden ihre Gebeine erhoben, was damals einer Heiligsprechung gleichkam, und ins Kloster auf dem Petersberg bei Fulda überführt, wo sie heute auch seit 1995 wieder ruhen.

Vorschau Bild der Kirche St Peter in Petersberg bei Fulda. Hier wurde die hl. Lioba beigesetzt. Im Vordergrund sieht man die Cella St. Lioba, die von Benediktinerinnen bewohnt wird

Ein Blick in die Zukunft: Was könnte die heilige Lioba von mir wollen?

In der hl. Lioba begegnen wir einer tatkräftigen, verantwortungsbewussten und vor allem glaubensstarken Frau. Die Bildung von Frauen und ihre Teilhabe am leitenden Missionsdienst der Kirche, waren für sie und den hl. Bonifatius noch eine Selbstverständlichkeit. Das am klösterlichen Vorbild orientierte angelsächsisch-irische Kirchenmodell, das die ersten Glaubensboten mit nach Deutschland brachten, wurde bald von der universal effektiveren, römischen und eben auch männerzentrierten Bischofskirche abgelöst.

Die hl. Lioba mag uns in den gegenwärtigen Umbrüchen kirchlichen Lebens vor allem daran erinnern, dass wir als gläubige Menschen immer wieder eingeladen sind, Kirche neu zu denken. Das ist aber kein Unternehmen, dass sich am praktisch Machbaren orientiert. Es ist allein geistliches Tun. Darin wird der Geist der Heiligkeit, der allein von Gott kommt, erkennbar.

Gebet

Heilige Lioba,
gib uns von Deiner Sehnsucht nach Gott,
von Deinem Mut das Alte zu verlassen,
von Deiner Überzeugung, dass Gott immer neu zu finden ist,
von Deiner Fähigkeit andere zu für Gott begeistern,
von Deiner Weisheit anderen zu raten,
von Deiner Unbefangenheit im Umgang mit allen,
von Deiner Liebe zur Kirche.

Heilige Lioba,
erbauen uns mit Deinem Glauben, Deiner Hoffnung, Deiner Liebe.
Das erbitten wir auf Deine Fürsprache durch Christus, unseren Herrn.

Fotos:

Header Bild: Schorle, Wikimedia Commons

Kirche St. Peter: Verum, Wikimedia Commons