Von der Gefahr der Selbstüberschätzung
„Ich weiß das!“ „Ich kann das!“ So kann sich ein Experte ausweisen. Er mag sogar zu dem Schluss kommen: „Ich bin der Beste!“ Niemand aber kann alles. Manche begabten Menschen vergessen das; Heilige nicht ausgeschlossen, wie wir sehen werden. Wenn man sich selbst überschätzt, nehmen Dritte nicht selten Schaden. Wenn das in der Kirche geschieht, büßt die Sache Gottes an Glaubwürdigkeit ein. Dafür gibt es bis in unsere Tage genügend Beispiele.
In allen Bereichen des Lebens ist Selbstüberschätzung heute ein weit verbreitetes Phänomen. Wenn es an Innerlichkeit fehlt, zähen nur noch die äußeren Werte: Aussehen, Mode, Auftreten, Beredsamkeit und andere Äußerlichkeiten. Alles wird ins beste Licht gerückt. Nur noch die sogenannte „Schokoladenseite“ ist gefragt. Wenn aber dann auch noch Menschen, die sich selbst überschätzen aufeinandertreffen, sind Konflikte vorprogrammiert. Die inneren, verzweifelten Kämpfe gegen das „Ich weiß vielleicht doch nicht alles“, „Ich kann das gar nicht“ und „Ich war eigentlich nie der Beste“ setzen dann ein. Polarisierung und Parteiung gefährden folglich die Einheit.
Hippolyt und Pontianus haben sich auf das Spiel der Selbstüberschätzung eingelassen. Sie haben dem Ansehen der Kirche geschadet. Ihr innerkirchlicher Streit musste drastisch durch staatliches Eingreifen beendet werden. Und doch ehrt die Kirche beide als Heilige. Ihr Gedenktag ist der 13. August.
Ein Blick in die Vergangenheit: Wer waren die hl. Hippolyt und Pontianus?
Oft weiß man von den frühkirchlichen Heiligen nur wenig, weil man keine, oder nur ungenügende, historische Quellen besitzt. Bei Hippolyt ist das anders. Über ihn gibt es eine ganze Reihe von Aufzeichnungen, die sich aber leider alle widersprechen. Hippolyt wurde vermutlich um 170 geboren. Wahrscheinlich hat er ab 192 als Priester in Rom gewirkt. Er soll als Schüler des hl. Irenäus von Lyon (135-200) ein brillanter Redner und Denker gewesen sein, der großen Einfluss auf den römischen Klerus hatte.
In Rom kam es zwischen ihm, dem Genie, und Papst Callistus I. (217-222) zur theologischen Auseinandersetzung über Fragen der Sündenvergebung und über die Lehre der Heiligsten Dreifaltigkeit. Der strenge Hippolyt warf dem barmherzigen Callistus I. vor, von der kirchlichen Tradition und Disziplin abzuweichen. Der Konflikt eskalierte. Die Anhänger des redegewandten Hippolyt machten ihn daraufhin zum ersten Gegenpapst der Kirchengeschichte. Diese spaltende Position hielt er auch noch unter den Pontifikaten der Päpste Urban I. (222-230) und Pontianus (230-235) aufrecht. Papst Pontianus, ein gebürtiger Römer, war Hippolyt bereits in der Frage der Sündenvergebung entgegengekommen. Der Zwist zwischen den Parteien aber konnte nicht beigelegt werden. Im Jahr 235 griff schließlich der heidnische Kaiser Maximinus Thrax (173-238) in den Streit ein. Er verbannte die beiden Kontrahenten, „Papst“ Hippolyt und Papst Pontianus, nach Sardinien.
Pontianus trat daraufhin noch 235 von seinem Amt zurück. Auch Hippolyt gab seine Amtsansprüche auf. Beide versöhnten sich. Sie starben nach wenigen Monaten, im Jahr 236, an den Strapazen der Zwangsarbeit in einem Bergwerk auf Sardinien. Das Gedenken, das die Kirche bis heute aufrechterhält, ist Zeugnis ihrer Versöhnung.
Ein Blick in die Zukunft: Was könnten die Heiligen Hippolyt und Pontianus von mir wollen?
Heilige sind nicht immer schon Heilige gewesen. Sie sind es geworden. Oft ist das ein langer, mühsamer und doch so menschlicher Prozess. Der hl. Hippolyt und der hl. Pontianus führen uns das vor Augen. Beide waren über Jahre blind für Wesentliches der Botschaft Christi. Der eine vor Ehrgeiz, der andere aufgrund von Sturheit. Beide waren von sich eingenommen. Erst die leidvolle Verbannung in den Steinbruch bringt beide zusammen. Das Zurückgeworfen-sein auf das Wesentliche von Leben und Glauben führt zur Versöhnung.
Zu allen Zeiten bestand für Christen, Päpste ganz offenbar eingeschlossen, aufgrund menschlicher Selbstüberschätzung die Gefahr das Wesentliche, nämlich Christus, zu vergessen.
Gebet
Hippolyt und Pontianus,
Ihr seid uns ja schöne Heilige.
So tragisch manche Züge Eures Lebens sind,
so beeindruckend ist das Happyend.
Besserwisserei, Unbelehrbarkeit, Sturheit, Stolz…
Das alles kennen wir auch aus unserem Leben.
Nicht selten sind wir mit dem Leben einfach überfordert.
Die Hoffnung auf ein gläubiges Happyend bleibt.
Auf Eure Fürsprache erbitte wir von Gott die Gaben
der Selbsteinsicht und der Bescheidenheit,
der Friedfertigkeit und der Versöhnung,
der Sensibilität für der Wesentlich in Leben und Glauben.