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Samstag, 11. Februar 2023
Botschaft zum XXXI. Welttag der Kranken:

„Sorge für ihn“ - Mitgefühl als synodale Übung der Heilung

Liebe Brüder und Schwestern,

Krankheit ist Teil unserer menschlichen Erfahrung. Aber sie kann unmenschlich werden, wenn sie in Isolation und Verlassenheit gelebt wird, wenn sie nicht von Fürsorge und Mitgefühl begleitet wird. Beim gemeinsamen Wandern ist es normal, dass sich jemand nicht gut fühlt, wegen Müdigkeit oder eines Unfalls auf dem Weg anhalten muss. In diesen Momenten zeigt sich, wie wir unterwegs sind: ob es wirklich ein gemeinsames Gehen ist, oder ob wir zwar auf demselben Weg sind, aber jeder für sich, um seine eigenen Interessen zu verfolgen, und die anderen lässt man „sich durchschlagen“. Daher lade ich euch an diesem XXXI. Welttag der Kranken ein, inmitten eines synodalen Unterwegsseins, darüber nachzudenken, dass wir gerade durch die Erfahrung von Gebrechlichkeit und Krankheit lernen können, gemeinsam nach dem Stil Gottes zu wandeln, der Nähe, Mitgefühl und Zärtlichkeit ist.

Vorschau Patientin im Krankenbett
Krankheit wird unmenschlich, wenn sie zu Isolation und Einsamkeit führt. /Foto: parentingupstream (pixabay)

Das Verlorene werde ich suchen, das Vertriebene werde ich zurückbringen, das Verletzte werde ich verbinden, das Kranke werde ich kräftigen

Ez 34,16

Es handelt sich um eine Erbarmungslosigkeit, die noch vor jeder anderen Ungerechtigkeit überwunden werden kann, denn – so erzählt das Gleichnis - alles, was es braucht, um sie zu beseitigen, ist ein Augenblick der Aufmerksamkeit, die innere Bewegung des Mitgefühls. Zwei Passanten, die als religiös gelten, sehen den Verwundeten und bleiben nicht stehen. Der Dritte aber, ein Samariter, ein Verachteter, wird von Mitleid ergriffen, kümmert sich um den Fremden auf dem Weg und behandelt ihn wie einen Bruder. Auf diese Weise verändert er, ohne überhaupt darüber nachzudenken, die Dinge und schafft eine geschwisterlichere Welt.

Einsamkeit [ist ] eine Erbarmungslosigkeit, die noch vor jeder anderen Ungerechtigkeit überwunden werden kann.

Papst Franziskus
Vorschau Älteres Paar beim Spaziergang
Für Gebrechlichkeit gibt es oft keinen Platz in der modernen Gesellschaft. /Foto: Bernd Mueller(pixabay)

Brüder und Schwestern, wir sind nie auf die Krankheit vorbereitet; und oft auch nicht darauf, das fortschreitende Alter zuzugeben. Wir fürchten uns vor Verletzlichkeit, und die allgegenwärtige Kultur des Marktes treibt uns dazu an, sie zu leugnen. Für Zerbrechlichkeit gibt es keinen Platz. Und so schmettert uns das Unglück zu Boden, wenn es über uns hereinbricht und uns angreift. Es kann dann vorkommen, dass andere uns im Stich lassen oder dass wir den Eindruck haben, dass wir sie verlassen lassen müssen, um ihnen nicht zur Last zu fallen. So beginnt die Einsamkeit, und wir werden von dem bitteren Gefühl einer Ungerechtigkeit vergiftet, für die sich sogar der Himmel zu verschließen scheint. In der Tat fällt es uns schwer, in Frieden mit Gott zu bleiben, wenn unsere Beziehung zu anderen und zu uns selbst zerrüttet ist. Deshalb ist es so wichtig, dass sich die gesamte Kirche auch im Hinblick auf die Krankheit am evangeliumsgemäßen Beispiel des barmherzigen Samariters misst, um ein wahres „Feldlazarett“ zu werden: Ihre Sendung drückt sich nämlich besonders in den historischen Umständen, die wir durchschreiten, und in der Ausübung der Fürsorge aus. Wir alle sind zerbrechlich und verletzlich; wir alle brauchen die mitfühlende Aufmerksamkeit, die weiß, wie man innehält, sich nähert, heilt und aufrichtet. Der Stand der Kranken ist daher ein Appell, der die Gleichgültigkeit aufbricht und die Schritte derer bremst, die so weitergehen, als hätten sie keine Schwestern und Brüder.


 

Der Welttag der Kranken

Papst Johannes Paul II. hat 1993  den Welttag der Kranken eingeführt. Er wird immer am 11. Februar, dem Gedenktag "Unserer Lieben Frau in Lourdes" begangen.

Die Jahre der Pandemie haben unsere Empfindung der Dankbarkeit für diejenigen verstärkt, die tagtäglich für Gesundheit und Forschung arbeiten. Aber es genügt nicht, eine so große kollektive Tragödie durch die Ehrung von Helden hinter sich zu lassen. Covid-19 hat dieses große Netz von Kompetenz und Solidarität auf die Probe gestellt und die strukturellen Grenzen der bestehenden Sozialsysteme aufgezeigt. Die Dankbarkeit muss daher damit einhergehen, dass in jedem Land aktiv nach Strategien und Mitteln gesucht wird, um jedem Menschen den Zugang zur Behandlung und das Grundrecht auf Gesundheitsversorgung zu garantieren.

»Sorge für ihn« (Lk 10,35) ist die Bitte des Samariters an den Gastwirt. Jesus richtet diese auch an jeden von uns und schließlich fordert er uns auf: »Geh und handle du genauso«. Wie ich in Fratelli tutti betont habe, »zeigt das Gleichnis auf, mit welchen Initiativen man eine Gemeinschaft erneuern kann, ausgehend von Männern und Frauen, die sich der Zerbrechlichkeit der anderen annehmen. Sie lassen nicht zu, dass eine von Exklusion geprägte Gesellschaft errichtet wird, sondern kommen dem gefallenen Menschen nahe, richten ihn auf und helfen ihm zu laufen, damit das Gute allen zukommt« (Nr. 67). In der Tat: »Wir sind für die Fülle geschaffen, die man nur in der Liebe erlangt. Es ist keine mögliche Option, gleichgültig gegenüber dem Schmerz zu leben« (Nr. 68).

Vorschau
Nicht nur bei den täglichen Prozession gilt kranken und behinderten Pilgern die besondere Aufmerksamkeit in Lourdes / Foto: Ch. Heinemannrechlichen

Blicken wir auch am 11. Februar 2023 auf das Heiligtum von Lourdes als eine Prophezeiung, eine Lehre, die der Kirche inmitten der Moderne anvertraut wurde. Es ist nicht nur das etwas wert, was funktioniert, und nicht nur der ist wichtig, der etwas produziert. Die kranken Menschen stehen im Mittelpunkt des Gottesvolkes, das gemeinsam mit ihnen voranschreitet als Prophetie einer Menschheit, in der jeder wertvoll ist und niemand beiseitegeschoben werden darf.

Der Fürsprache Marias, dem Heil der Kranken, vertraue ich jeden von euch Kranken an; sowie euch, die ihr in der Familie, in der Arbeit, in der Forschung und im Ehrenamt Sorge für sie tragt; und euch, die ihr euch dafür einsetzt, persönliche, kirchliche und zivile Bande der Geschwisterlichkeit zu knüpfen. Von Herzen sende ich euch allen meinen Apostolischen Segen.

Rom, Sankt Johannes im Lateran, am 10. Januar 2023.

Franziskus