Nigeria: Der Druck der Straße wächst
Abuja - Katholische Bischöfe in Nigeria haben Verständnis für die Proteste im Land gezeigt und grundlegende politische Reformen gefordert. Zugleich riefen sie zum Gewaltverzicht auf. Die Kundgebungen seien „Hilfeschrei“ und „Notruf“, schreiben die Bischöfe der Kirchenprovinz Ibadan in einem gemeinsamen Brief. Viele Probleme seien in Nigeria ungelöst, wie Hunger, Unsicherheit, gebrochene Wahlversprechen, „unverschämt hohe Lebenshaltungs- und Regierungskosten“ sowie ein Rechtsstaat, der kaum zur Eindämmung der Kriminalität beitrage. Viele Hoffnungen seien enttäuscht.
Trotz grundsätzlicher Unterstützung der Kritik stellen die Bischöfe infrage, ob die Proteste auch zweckmäßig sind. Eine Lösung für Nigerias Probleme könnten sie nicht bringen und es drohe Gewalt, die unbedingt zu vermeiden sei. Gleichwohl seien die Proteste ein „letzter Ausweg“ für Bürger, deren Hilferufe bisher nicht beachtet wurden oder die sich als Unterdrückte sähen. Die Regierung habe es versäumt, rechtzeitig zu reagieren. Vielmehr habe die Behördentaktik auf Einschüchterung gesetzt.
Auch in der ebenfalls betroffenen Provinz Owerri hatten die katholischen Bischöfe am Donnerstag gemahnt, dass die Proteste und der angekündigte zehntägige Stillstand des Landes eher zur Lähmung der ohnehin bereits fragilen Wirtschaft führen würden. Zudem bestehe die Gefahr, dass der Protest von Kriminellen gekapert werde, um dadurch Chaos im Land zu verbreiten. Viele im Land litten an „mehrdimensionaler Armut“ oder hätten keinen angemessenen Lebensunterhalt. Nun seien gute Regierungsführung und sozioökonomische Stabilität nötig. Dazu zählt aus Sicht der Bischöfe besonders die Bekämpfung der Korruption.
Im 220-Millionen-Staat Nigeria, von dessen Bevölkerung mehr als die Hälfte noch unter 17 Jahre alt ist, sind seit Donnerstag landesweit vor allem junge Menschen in einen zehntägigen Protest unter dem Motto #EndBadGovernance (Beendet schlechte Regierungsführung) getreten, um ihre Wut auf Korruption, Armut, Inflation und Gewalt durch Terrorgruppen und Banditen zu bekunden. Die nigerianische Polizei ging in mehreren Städten, darunter der Hauptstadt Abuja und der Metropole Lagos, mit Tränengas gegen die Demonstranten vor. Mindestens zehn Menschen kamen bisher laut Berichten ums Leben. (KNA)