Missionsrat berichtet von Gewalt gegen Indigene
Vorschau Indigene protestieren für ihre Rechte. Foto: Tiago Miotto/Cimi
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Brasilien
Dienstag, 23. Juli 2024
Missionsrat Cimi berichtet:

Zahl der Morde an Indigenen in Brasilien gestiegen

Brasilia - Die Gewalt gegen Indigene in Brasilien wächst und die Regierung unternimmt dagegen viel zu wenig, sagen Kritiker. Der katholische Indio-Missionsrat (Cimi) legte dazu am Montag seinen Jahresbericht 2023 zur Lage der indigenen Völker vor. Und er tue das angesichts der gestiegenen Zahl gewaltsamer Übergriffe „mit tiefer Trauer“, erklärte Cimi-Präsident Leonardo Steiner, Erzbischof von Manaus, in der Hauptstadt Brasilia. Zwar habe die neue Linksregierung von Präsident Luiz Inacio Lula da Silva 2023 die staatlichen Kontrollen wieder hochgefahren und sei gegen Personen und Gruppen vorgegangen, die sich an Indigenen und ihren Territorien vergriffen. Allerdings habe dies nicht ausgereicht, um die Entwicklung der vergangenen Jahre umzudrehen. Unter dem rechtsgerichteten Amtsvorgänger Jair Messias Bolsonaro waren die Kontrollen bewusst reduziert worden.

Zunahme der Gewalt

Beim Regierungswechsel Anfang 2023 habe man große Erwartungen gehabt, so der Cimi. „Nicht nur, weil die neue Regierung die Nachfolge einer offen anti-indigenen Regierung antrat, sondern auch, weil das Thema in den Reden und Ankündigungen des neuen Präsidenten seit dem Wahlkampf eine zentrale Rolle gespielt hatte.“ „Lula“ schuf ein Ministerium der indigenen Völker und kündigte an, profitorientierte Eindringlinge wie Goldsucher aus dem Reservat der Yanomami zu vertreiben.

Trotzdem nahm die Gewalt zu. Während im vergangenen Jahr in ganz Brasilien die Zahl der Morde um 3,4 Prozent sank, kletterten Tötungsdelikte an Indigenen um mehr als 15 Prozent auf 208 Fälle. Seitdem der Cimi 2014 die Statistik begann, sind nur im Jahr 2020 mehr Indigene ermordet worden (216). Die höchsten Zahlen stammen aus den Teilstaaten Roraima (47), Mato Grosso do Sul (43) und Amazonas (36). Zudem wurden 180 Selbstmorde von Indigenen registriert, eine deutliche Zunahme nach 115 im Jahr 2022. Auch die Todeszahl bei indigenen Kindern im Alter bis 4 Jahren stieg deutlich an, von 835 auf nun 1.040. Die meisten Todesfälle bei Säuglingen führt der Missionsrat auf schlechte Gesundheitsversorgung wie fehlende Impfungen zurück.

Wirtschaftliche Interessen und die Rechte der indigenen Völker

Den Jahresbericht bezeichnete Cimi-Exekutivsekretär Luis Ventura als Weckruf und Ermahnung. Man wolle die Realität in den indigenen Gebieten sichtbar machen und Schutz durch die Behörden. Er warf der Lula-Regierung vor: „Jedes Mal, wenn sie zwischen wirtschaftlichen Interessen und den legitimen Rechten der ursprünglichen Völker wählen musste, hat sie stets letztere geopfert.“

Der Indio-Missionsrat kritisiert das Fehlen eines klaren Signals, dass die Regierung die indigenen Territorien mit aller Macht verteidigen will. In 1.276 Fällen sei die territoriale Integrität der Reservate verletzt worden. Derzeit läuft zudem ein juristisches Ringen um das sogenannte „Zeitfenster 1988“. Es würde das Recht der Indigenen auf alle Gebiete aufheben, die sie vor Inkrafttreten der Verfassung von 1988 verloren haben. Dies fordert die im Parlament mächtige Agrar-Lobby. Zwar hatte Präsident Lula einen Vorstoß dieser Gruppe gestoppt, sein Veto war jedoch im Parlament überstimmt worden. Nun soll es Anfang August ein Schlichtungsverfahren zwischen Exekutive und Legislative in dieser Frage geben.

Errichtung der Reservate noch nicht abgeschlossen

Auch bei der Einrichtung neuer Reservate kam die Lula-Regierung nicht so rasch voran wie geplant. Zwar wurden acht neue Gebiete ausgewiesen; versprochen hatte Lula zum Start seiner Präsidentschaft aber 14. Der Cimi sieht einen klaren Zusammenhang: „Die Langsamkeit und das Fehlen klarer Zeichen seitens der Zentralregierung bei der Verteidigung indigener Gebiete hatte direkten Einfluss auf die hohe Zahl registrierter Konflikte, von denen viele Einschüchterungen, Drohungen und gewalttätige Angriffe gegen indigene Gemeinschaften beinhalteten“, heißt es in dem Bericht. Von den 1.381 Gebietsansprüchen der Indigenen warteten 850 oder 62 Prozent noch immer auf eine endgültige Regelung. Das von Lula ins Leben gerufene Ministerium für indigene Völker reagierte auf die scharfe Kritik - und machte die Vorgängerregierung verantwortlich. Die habe ein „Szenario der Zerstörung“ hinterlassen, Missstände geleugnet und die Bereiche Umwelt und Gesundheit Indigener vernachlässigt. 2023 sei von der Wiederaufnahme staatlicher Maßnahmen geprägt gewesen, beteuert das Ministerium. Diese aber würden auch durch die schwere Zugänglichkeit vieler Gebiete erschwert.