
Erinnerungen und Aufbruch in Paraguay
„Wenn Du nach Paraguay fliegst, nimmst Du mich dann mit?“ Im ersten Moment wusste ich nicht, was ich sagen sollte. Ludger Alfert, der die Frage gestellt hatte, ist ein lieber Mitbruder und der frühere Bischof des Vikariates Pilcomayo in Paraguay. Ich würde gerne mit ihm an seine frühere Wirkungsstätte reisen. Aber er ist ein älterer Herr, nicht mehr ganz gesund und auf einen Rollator angewiesen. Die lange Flugreise, das Umsteigen am Flughafen von Madrid, wie sollte das gehen?
Nach einigen Hin- und Herüberlegen habe ich bei Pater Miguel Fritz in Paraguay nachgefragt. Seine Antwort war kurz und deutlich: „Hier freuen sich alle auf Lucio, trau dich, bring ihn mit“. Also gut, der Flug wurde gebucht. Unterstützung für Gehbehinderte war organisiert, eine ärztliche Unbedenklichkeitserklärung eingeholt, jetzt hieß es nur noch auf den Reisetag warten.
Einige Wochen vor der Abreise kam eine weitere Nachricht aus Paraguay. Pater Miguel Fritz, der Administrator des Vikariates Pilcomayo, war von Papst Franziskus zum Apostolischen Vikar ernannt worden. Damit war aus unserer geplanten Reise zum Jubiläum die Fahrt zu einer Bischofsweihe geworden.
Paraguay – ein Land im Herzen Südamerikas
Paraguay ist ein Binnenstaat in Südamerika und liegt zwischen Brasilien, Argentinien und Bolivien. Die Hauptstadt ist Asunción. Das Land hat etwa 7,5 Millionen Einwohner, von denen viele sowohl Spanisch als auch Guaraní sprechen – beides sind Amtssprachen.
Paraguay ist in zwei große Regionen geteilt: das fruchtbare Ostparaguay und den trockenen Chaco im Westen. Die Wirtschaft basiert vor allem auf Landwirtschaft und Viehzucht, mit wichtigen Exporten wie Soja und Rindfleisch. Außerdem erzeugt Paraguay enorme Mengen an Wasserkraft, unter anderem durch den Itaipú-Staudamm, einen der größten der Welt.
Kulturell ist das Land geprägt von einer Mischung aus europäischen und indigenen Traditionen. Der römisch-katholische Glaube mit etwa 80–90% der Bevölkerung die größte Glaubensrichtung.
Eine anstrengende, aber beeindruckende Reise
Um es direkt zu sagen, die Reise war anstrengend. Rund 15 Stunden im Flugzeug sind nicht gerade angenehm, an einem Flughafen wie Madrid auf den Rollstuhlservice angewiesen zu sein, ist es auch nicht. Das Umsteigen beim Hinflug mitten in der Nacht war aufregend, hat aber auf die letzte Minute noch geklappt.
Auf dem Rückweg war es deutlich schwieriger. Nach einem elf-stündigen Flug kamen wir um gegen 4.45 Uhr in Madrid an. Kurz nach 7.00 Uhr sollte es nach Frankfurt weitergehen. Daraus wurde nichts. Das Servicepersonal für Menschen mit Beeinträchtigung war völlig überfordert. Mehrmaliges Nachfragen, wann man uns zu unserem Flug bringen würde, war zwecklos. Das Flugzeug hob ohne uns ab. Wir mussten bis 15.30 Uhr warten, bevor es weiterging.
Trotzdem, ich würde es jederzeit wieder tun. Die Woche in Paraguay war mehr als nur eine anstrengende Reise zu einem Fest. Es war eine Reise in die Vergangenheit eines verdienten Missionars, bereichert mit schönen Begegnungen und vielen glücklichen Menschen, die sich freuten, ihren alten Bischof wiederzusehen.
Missionar mit Leib und Seele
Ludger Alfert, den in Paraguay alle nur „Bischof Lucio“ nennen, wurde 1941 in Heek im Münsterland geboren. Nach dem Abitur trat er bei den Oblaten ein und wurde nach seiner Priesterweihe als Missionar nach Südamerika geschickt. Zunächst arbeitete er in Argentinien, später in Paraguay.
Von 1986 an war er Apostolischer Vikar von Pilcomayo mit Sitz in Mariscal Estigaribia. Mit dem Erreichen des 75. Lebensjahrs im Jahr 2016 hat er seinen Rücktritt beim Papst eingereicht, allerdings dauerte es etwas, bis dieser auch angenommen wurde. Erst im November 2022 wurde der Ruhestand gewährt und Pater Miguel Fritz zum Administrator, bis ihn Papst Franziskus am 15. April 2025 zum Apostolischen Vikar von Pilcomayo ernannte.

Bischofsweihe an einem besonderen Tag
Die Bischofsweihe erfolgte am 14. Juli 2025, einem Montag. Ein für eine Bischofsweihe eher ungewöhnlicher Tag, aber der 75. Gründungstag des Vikariates. Vor dem Weihegottesdienst legte der Kandidat den Treueeid und das Glaubensbekenntnis in der Kathedrale von Mariscal Estigaribia ab.
Rund 500 Menschen fanden in der Kirche Platz. Viele verfolgten die Feier vor der Kathedrale, wo eine Großleinwand aufgebaut war. Für 9.00 Uhr war der Beginn des Gottesdienstes geplant. Gegen 9.20 Uhr fand dann der Einzug mit ca. 50 Priestern und beinahe allen Bischöfen des Landes sowie dem Nuntius statt. Aus den verschiedenen Pfarreien und Gemeinden waren zahlreiche Delegationen anwesend, ebenso Vertreter des öffentlichen Lebens.

Ein besonderer Moment
Die Weihe spendete Kardinal Adalberto Martínez, der Erzbischof von Asunción. Mitkonsekratoren waren die Bischöfe Guillermo Steckling OMI und Pedro Jubinville, der Vorsitzende der Bischofskonferenz. Ein besonderer Moment war die Handauflegung durch Bischof Lucio, die die Anwesenden mit herzlichem Applaus quittierten.
Nach der Liturgie waren alle ins „Sozial-Zentrum“ eingeladen, wo die Stadtverwaltung ein Mittagessen organisiert hatte. Während des Essens gab es Tanzdarbietungen aus den einzelnen Pfarreien sowie der städtischen Tanzschule. Wie es in Paraguay Brauch ist, ging der neue Bischof von Tisch zu Tisch, wo jeweils Fotos gemacht wurden.
Im Anschluss an das Essen besuchten die Bischöfe und alle Interessierten die frühere Kathedrale mit der Grabstätte von Pa’i Puku und das Missionsmuseum. Die Bischöfe wurden dann mit einer Militärmaschine in die Hauptstadt zurückgeflogen und auch alle anderen machten sich auf den Heimweg. Bischof Lucio und ich verbrachten noch den Abend mit der Kommunität von Mariscal und einigen Gästen, bevor wir am nächsten Tag zurück nach Asuncion gefahren sind.

Kein Abschied für immer
Hier blieben Bischof Lucio und ich noch zwei Tage im Zentralhaus der Oblaten, bevor wir uns auf die Rückreise machten. Selbst am Flughafen kam es noch zu Begegnungen, wie ich sie während der Reise oft beobachtet habe. Wenn Menschen Bischof Lucio erkannten, freuten sie sich, begrüßten ihn begeistert und natürlich musste auch das ein oder andere Foto gemacht werden.
Ein Gedanke, der mir immer wieder durch den Kopf ging, war, dass man wirklich vieles richtig gemacht haben muss, wenn man an seiner alten Wirkungsstätte als Missionar und Bischof so begrüßt wird. Bischof Lucio ist mit mir nach Deutschland zurückgeflogen. Er wäre ohne Frage gerne in seiner Wahlheimat Paraguay geblieben, aber es stehen noch einige medizinische Behandlungen an, die erst erledigt werden müssen. Die Hoffnung auf Rückkehr nach Paraguay war aber deutlich spürbar bei ihm und den Menschen, mit denen und für die er gearbeitet hat.