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Junge Perspektive
Mittwoch, 12. April 2023

Zwölf Monate Engagement, die das Leben prägen

„Mitleben – Mitbeten – Mitarbeiten“, so lautet das Motto der „Missionare auf Zeit“. Internationale Freiwilligendienste, in denen junge Menschen sich im Ausland engagieren, gibt es viele. Besonders häufig findet man sie in den Ländern des globalen Südens – doch die “Missionare auf Zeit“ oder kurz „MaZ“ sind etwas Besonderes.

Das Motto zeigt schon den Unterschied zu anderen Freiwilligendiensten: Mitleben – Mitbeten – Mitarbeiten: „Die Reihenfolge ist wichtig. Es geht wirklich darum, das Leben der Menschen vor Ort zu teilen; auch Mitbeten ist wichtig, denn die Einsätze sind in einer Ordenskommunität vor Ort eingebunden; erst an dritter Stelle steht Mitarbeiten. Bei anderen Programmen steht Mitarbeiten im Fokus“, erklärt Jennifer Mumbure vom MaZ-Freiwilligendienst. Das zeigt schon die Eingewöhnungsphase in den Einsatzländern. Vielfach müssen erstmal die Kompetenzen erworben werden, um vor Ort wirken zu können; „aber schon die Eingewöhnungsphase ist entscheidend für die Erfahrungen und für das Programm“, so Mumbure. Entsprechend ist auch die zeitliche Vorgabe wichtig: Mindestens zwölf Monate dauert der Einsatz; manche Ordensgemeinschaften können auch länger entsenden.

Missionare auf Zeit – oder doch nur MaZ?

Das MaZ-Programm ist einer der ältesten internationalen Freiwilligendienste in Deutschland. Es wurde 1980 gegründet. Damals kamen junge Menschen auf Missionsorden zu. Sie wollten sich im Ausland engagieren – aber nicht in den Orden eintreten. Das fiel in die Phase, in der Eintritte weiter abnahmen. Der MaZ-Freiwilligendienst entstand als Unterstützungs- und Werbemaßnahme: Die Freiwilligen halfen bei der Arbeit der Missionsorden vor Ort, die immer weniger Mitglieder ins Ausland senden konnten. Zeitgleich konnten die Teilnehmenden die Gemeinschaft kennenlernen und damit auch einer eventuellen Berufung nachgehen.

Dieser Aspekt spielt bis heute eine gewisse Rolle. Zwar treten nur wenige MaZ-Teilnehmer in einen Orden ein. Aber gerade unter den wenigen Neueintritten gibt es viele ehemalige Freiwillige.

Aus diesem Ursprung des Programms stammt auch der Name „Missionare auf Zeit“. „Damit fremdeln wir heute etwas, aufgrund der schwierigen Geschichte des Missionsbegriffs“, so Jennifer Mumbure. Mission hat heute für die Organisatoren zwei Aspekte: Zum einen hat jeder Einzelne seine Mission im Leben, die es zu entdecken gilt. Zum anderen gibt es eine Vision „von der Einen Welt, in der es nicht Gewinner und Verlierer, sondern nur Geschwister gibt“, so das Programm auf seiner Website; „Mission heute ist gelebte Solidarität, die alle beauftragt, an der Gestaltung der Einen Welt mitzuwirken.“

Der MaZ-Freiwilligendienst stellt sich der kritischen Geschichte von Mission ebenso wie der grundlegenden Problematik solcher Freiwilligendienste: Privilegierte Weiße aus den Industrieländern fliegen in den globalen Süden, um dort zu helfen. Auf der einen Seite ist das wichtig. Aber damit werden kommunikative Strukturen verfestigt, nach denen Entwicklungsländer die Empfänger von Unterstützung aus dem globalen Norden sind. Die missionarische Ausgangssituation von einst wird damit fortgeschrieben: Die Europäer bringen den anderen Ländern ihre Kultur und ihren Fortschritt.

Bildungsarbeit im Vorfeld

Die Organisatoren gehen diesem Problem durch eine intensive Bildungsarbeit an. Man ist sich bewusst: „Viele Teilnehmer werden in Deutschland immer noch mit einem falschen Afrika-Bild der armen schwarzen Kinder sozialisiert, die keine Chancen auf Bildung und wirtschaftlichen Fortschritt haben. Aus dieser Perspektive wollen die Interessenten helfen“, so Mumbure. Entsprechend beginnt die Vorbereitung für ein MaZ-Jahr damit, die grundlegenden globalen Strukturen zu erklären. „Im MaZ-Jahr werden die Teilnehmer dann ordentlich in ihren Perspektiven durchgerüttelt.“ Doch auch wenn sie wieder in Deutschland sind, werden sie weiterhin begleitet. Auf Seminaren verarbeiten sie ihre Erfahrungen und geben sie weiter; dazu gehört es auch, herauszufinden, wie man das Bild der Entwicklungsländer in Deutschland verändern und reflektieren kann.

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Auf Veranstaltungen in Deutschland können sich Interessierte und ehemalige Teilnehmer austauschen

Nicht ganz billig

Vor- und Nachbereitung, die Reise selbst, Unterkunft etc., das braucht Geld. Ein durchschnittliches MaZ-Jahr kostet zwölf- bis fünfzehntausend Euro. Die meisten Freiwilligendienste werden über das Bundesprogramm „weltwärts“ finanziert. Die Bundesmittel machen derzeit durchschnittlich 75 Prozent der Finanzierung auch für das MaZ aus. Doch für „weltwärts“ beträgt die Altersgrenze 28 Jahre. Bei MaZ können sich auch Menschen über diesem Alter melden. Das ist eine Besonderheit, denn es gibt zwei weitere Geldquellen. Zum einen geben auch die Ordensgemeinschaften, die entsenden, Mittel frei. Dazu gibt es Solidaritätskreise; das heißt: Die Teilnehmer sammeln selbst Spenden ein und werden dabei von den Orden unterstützt. Mehreinnahmen werden eingesetzt, um andere Freiwillige zu unterstützen.

Teilnehmer

Die meisten Teilnehmer beginnen das Programm nach der Schule, sind also 18 bis 20 Jahre alt. Bei MaZ sind mehrheitlich Frauen dabei. „Das hängt wohl damit zusammen, dass es vor allem soziale Projekte sind, in die sie von den Ordensgemeinschaften entsendet werden“, so Mumbure. Vor allem Kinder- und Schulprojekte sind darunter. Das liegt nahe, denn dort können die Teilnehmer gut eingesetzt werden.

Die Zahl der MaZ-Teilnehmer sinkt seit Jahren. „Der Drang, ins Ausland zu gehen, ist deutlich geringer als früher. Das hängt unserer Meinung nach stark mit Corona zusammen; aber den Trend gab es schon davor; die jungen Menschen heute fühlen sich zuhause sehr wohl, der Drang nach Abenteuern ist abgeschwächt.“

Freilich: Das Engagement kann das ganze Leben prägen. Mumbure erlebt auf Seminaren ehemalige Teilnehmer, deren Einsatz schon mehr als zehn Jahre zurückliegt. Auch sie kommen nicht nur zum Erzählen, sondern auch, um ihre Erfahrungen zu reflektieren: „Das MaZ-Jahr arbeitet immer noch in ihnen.“

Fotos

Alle Fotos: MaZ-Freiwilligendienst