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Orientierung
Freitag, 16. Dezember 2022
Weihnachten

Wieso das Christkind die Geschenke bringen sollte

Der Heilige Abend gehört zu den prägenden Erinnerungen meiner Kindheit:

Die Bescherung naht, das Christkind kommt bald. Aber: Ich darf nicht unter dem Baum sitzen, wo es die Geschenke hinlegt, obwohl ich dort so gerne auf das Christkind warten würde. Das Christkind ist ein scheues Wesen, es möchte nicht beobachtet werden.

Also muss ich oben an der Treppe warten, zusammen mit meinem Vater. Nur meine Mutter darf unten in der Küche sitzen und in dunkle Wohnzimmer luken. Denn grelles Licht, das mag das Christkind auch nicht. So ist das ganze Haus ins Halbdunkel getaucht, nur erhellt von ein paar Kerzen und Lichterketten.

Dann klingelt es. Der helle Ton eines Glöckchens. Das Christkind ist da. Sofort stürme ich die Treppe hinab, mein Vater hinterher. Schaue ins Wohnzimmer, das Christkind ist schon wieder raus. Doch da, dort draußen am Fenster, da sieht man es noch, ruft meine Mutter. Ich stürze ans Fenster, drücke mir die Nase auf dem kalten Glas platt. Tatsächlich, ein schwacher Schimmer hinter den Bäumen. Das Christkind war da, gewiss.

Schenken, eine komplizierte Geschichte

Sicher können Sie auch solche Geschichten erzählen: über ihre eigene Kindheit; oder wenn Sie dieses Spiel mit Ihren Kindern oder Enkeln aufgeführt haben. Es ist ein Geschehen, das die Augen der Kleinen leuchten lässt. Nicht nur, weil es Geschenke gibt. Sondern auch, weil es verzaubert. Es sind ja nicht irgendwelche Geschenke, sondern die vom Christkind. Und das ist wichtiger, als es auf den ersten Blick scheint.

Sie kennen das vielleicht: Hat mein Freund oder meine Freundin mir ungefragt etwas zu Weihnachten geschenkt, so muss ich dieses Geschenk spätestens im nächsten Jahr, eher früher, erwidern; optimal sollte es den gleichen Wert haben. Wie steht man denn sonst da.

Doch was passiert, wenn das Geschenk nicht in gleichem Wert erwidert werden kann. Dann bleibt eine soziale Schuld; das Gefühl einer Verpflichtung. Das gilt auch umgekehrt. Etwa wenn Sie einem Freund beim Umzug geholfen haben. Dann entsteht die Idee, dass er sich bei Ihnen revanchiert, etwa indem er Sie zum Essen einlädt.

Der Grund dafür ist einfach: Der Mensch ist ein soziales Wesen. Wir lehnen Menschen intuitiv ab, die gerne nehmen, aber nichts zurückgeben. Gemeinschaft funktioniert nur, wenn es einen sozialen Ausgleich gibt.

Und wie ist das mit Kindern? Sie bekommen von ihren Eltern Geschenke. Die können sie aber materiell nicht erwidern. Natürlich erwarten das die Eltern auch nicht. Aber: Es entsteht eine soziale Schuld. Es ist ungerecht, etwas zu empfangen, ohne etwas zurückzugeben. Das spüren schon Kinder. Ein Geschenk kann daher als Belohnung oder zur Anstiftung zu „richtigem“ Verhalten eingesetzt werden: „Nur wenn du brav bist …“. So ist auch bei Kindern das Geschenk schon mit einer Verpflichtung verbunden.

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Heimlich befüllt der hl. Nikolaus die Stiefel. Und das ist auch gut so

Winterliche Gabenbringer

Der Nikolaus, das Christkind, der Weihnachtsmann: Allein in Deutschland kennen wir viele Sagengestalten, die den Kindern im Winter Geschenke bringen.

Andere europäische Länder haben ihre eigenen Gabenbringer. Etwa in Italien: Dort eilt die gute Hexe Befana in der Nacht vor dem Dreikönigstag von Haus zu Haus, um das Jesuskind zu suchen und bringt dabei den Kindern Geschenke.

Dabei sind solche Gestalten nichts spezifisch Europäisches oder Christliches. In China etwa kennt man etwa Shou Xing, den Gott des langen Lebens, der mit weißem Bart und rotem Mantel dem hl. Nikolaus sehr ähnlich sieht.

Vorchristliche Wurzeln erkennt man auch bei Helfern des hl. Nikolaus; zum Beispiel beim Krampus, der im südbayerischen und österreichischen Brauchtum einen strafenden Part übernimmt, wohl aber unter der Aufsicht des Geschenke bringenden Heiligen.

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